Thea Levinsohn-Wolf geborene Wolf
Geboren am 10.12.1907 in Essen
Gestorben am 13.04.2005 in Frankfurt am Main
Begräbnisstätte Jüdischer Friedhof Bad Kreuznach
Nationalität deutsch
Religion jüdisch
10. Dezember 1907
Geburtsdatum
Die Krankenschwester Thea Levinsohn-Wolf wurde am 10. Dezember 1907 in der Industriestadt Essen (Nordrhein-Westfalen) im Zentrum des Ruhrgebiets geboren.
1909
–
1926
Kindheit und Jugend in Essen
Thea Wolf und ihre 1909 geborene Schwester Alice wuchsen gemeinsam in einer jüdischen Großfamilie im Essener Arbeiterviertel auf. Dort betrieben ihre Eltern Moritz Wolf und Johannette (Jeanette oder Jenny genannt) geb. Schwarz ein Metzgereigeschäft. Als Deutsche jüdischen Glaubens beachteten sie die jüdischen Feiertage und die koscheren Speisegebote. Im Ersten Weltkrieg diente der Vater als Soldat. Wie andere jüdische Familien legten auch die Wolfs großen Wert auf eine gute Ausbildung ihrer Töchter, was dazumal bei Mädchen nicht selbstverständlich war. Thea Wolf besuchte die Städtische Mädchenmittelschule Essen-Ruhr. Die Eltern hielten Thea und Alice Wolf frühzeitig dazu an, den Bedürftigen zu helfen. Später engagierten sich die Schwestern in der jüdischen Jugendbewegung. Thea kümmerte sich um verarmte jüdische Familien aus Polen, die nach dem Ersten Weltkrieg in das Ruhrgebiet geflüchtet waren. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 10-15 Jüdisches Leben in Essen, Buch Juden im Ruhrgebiet, Buch
1. April 1924
–
1. Januar 1926
Berufliche Anfänge als Buchhalterin
Auf Wunsch ihrer Eltern besuchte Thea Wolf die Städtische Höhere Handelsschule. Anschließend arbeitete sie von April 1924 bis Januar 1926 als erste Buchhalterin im "Merkur", einem Engros-Haus für Stoffe in Essen. Als das "Merkur" während der Inflationszeit in Konkurs ging, verlor auch Thea Wolf ihre Stelle. Ihre Arbeitslosigkeit sah sie jedoch als Chance, die ungeliebte kaufmännische Tätigkeit aufzugeben und einen sozialen Beruf zu ergreifen.
1. Februar 1926
–
1. Februar 1927
Erfahrungen als Sozialarbeiterin
Thea Levinsohn-Wolf verließ ihre Geburtsstadt Essen und zog nach Berlin-Hermsdorf. Von Februar 1926 bis Februar 1927 war sie als "Helferin ohne Gehalt" im "Waisenhaus des Frauenvereins von 1883" tätig. Dort betreute sie auch vernachlässigte und verwahrloste Kinder, die von ihren Eltern im Waisenhaus abgegeben wurden. Diese Erfahrungen erschütterten sie und formten zugleich ihr berufliches Ziel: Sie wollte nicht Sozialarbeiterin, sondern Krankenschwester werden.
1927
Kolleginnen
Sara (Sarah) Adelsheimer1927 betrat Thea Levinsohn-Wolf in Begleitung ihrer Tante Rosa erstmals das Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Dort nahm die damalige Oberschwester Sara Adelsheimer sie freundlich in Empfang. Später lebten beide in Israel. Ob sie dort wieder in Kontakt traten oder gar befreundet waren, ist unbekannt.
1927
Kolleginnen
Sara (Sarah) Adelsheimer1927 betrat Thea Levinsohn-Wolf in Begleitung ihrer Tante Rosa erstmals das Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Dort nahm die damalige Oberschwester Sara Adelsheimer sie freundlich in Empfang. Später lebten beide in Israel. Ob sie dort wieder in Kontakt traten oder gar befreundet waren, ist unbekannt.
1927
Unterrichtender Arzt im Verein für jüdische Krankenpflegerinnen
Adolf DeutschThea Levinsohn-Wolf, die ab 1927 Lehrschwester im Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main war, erwähnt Dr. Deutsch als einen ihrer Lehrer im mündlichen Unterricht nach der praktischen Arbeit im Krankenhaus. Thea Levinsohn-Wolf berichtet, 00:18:30 h
1. April 1927
Ausbildung zur Krankenschwester
Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am MainIm April 1927 wurde Thea Wolf als Lehrschwester in den Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main aufgenommen. In diesem Umfeld fühlte sie sich nach eigenem Bekunden "sehr wohl". Die Eltern hatten zunächst Einwände, widersprach doch Theas Werdegang dem traditionellen Rollenverständnis der Frau als Gattin und Mutter. Die zweijährige Lehrzeit zur staatlich geprüften Krankenschwester durchlief sie im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde. Die Oberschwester war Sara Adelsheimer. Thea Wolf lernte die inzwischen pensionierte Oberin und Gründerin des Schwesternvereins, Minna Hirsch, kennen. "Ich wurde auch allen älteren Schwestern vorgestellt. Sie trugen alle goldene Broschen zum Zeichen, dass sie seit mehr als fünfundzwanzig Jahren berufstätig waren. Sie saßen - nach ihrer Rangordnung - im mittleren Teil des Speisesaals. Ihnen gegenüber fühlte ich mich wie ein Kind am ersten Schultag. Ich fand meinen Platz und bekam eine Nummer an meine Serviettentasche gesteckt, es war die Nummer 181." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 20
1. April 1929
Examen als Krankenschwester
Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am MainIhre zweijährige Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester, die sie durch alle Abteilungen geführt hatte, schloss Thea Wolf mit einem sehr guten Examen ab. (Als Examensmonat nennt sie in ihrer Autobiographie den April 1929, ihr "Ausweis für staatlich anerkannte Krankenpflegepersonen" ist auf den 28. März 1929 datiert.) Ihre Eltern waren sehr stolz auf ihre fleißige und zielstrebige Tochter, hofften aber weiterhin auf baldige Heirat und Familiengründung - vergeblich. Thea Wolf blieb dem Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt verbunden. Für ein Jahr war sie verantwortliche Krankenschwester in "in der chirurgischen Frauenstation für die Patienten der dritten Klasse". Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 26f., S. 162
Mitte 1930
–
1932
Team der Chirurgischen Abteilung: Schwester Thea Wolf
Emil Altschülerum 1930
Thea Levinsohn-Wolf
Thea Levinsohn-Wolf mit Schwestern der chirurgischen Frauenstation im Hof des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde, Frankfurt am Main, Gagernstraße 36. Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland - Ägypten - Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 30
Mitte 1930
–
1932
Chirurgische Abteilung
Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am MainAb Mitte 1930 wurde Thea Wolf zwei Jahre lang als Operations- und Narkoseschwester in der Chirurgischen Abteilung eingesetzt.
Mitte 1930
–
1932
Kolleginnen
Rosa (Rosalie) SpieroOberschwester Rosa Spiero und Schwester Thea Wolf gehörten beide zum Team der Chirurgischen Abteilung.
Mitte 1930
–
1932
Kolleginnen
Bertha SchönfeldThea Levinsohn-Wolf und Bertha Schönfeld gehörten beide zum Team der Chirurgischen Abteilung. Schwester Thea kam mit ihrer mitunter etwas schwierigen älteren Kollegin gut zurecht.
Mitte 1930
–
1932
Team der Chirurgischen Abteilung: Schwester Thea Wolf
um 1932
Berufliche Pläne
Nach drei Jahren Dienst im Frankfurter jüdischen Krankenhaus dachte Thea Wolf über ihre berufliche Zukunft nach. Sie erwog (nach Ablauf ihrer 5 Pflichtjahre) eine Zusatzausbildung als Hebamme oder Sozialarbeiterin. Ihr weiterer Lebensweg führte sie jedoch in das ferne Ägypten.
1932
Thea Levinsohn-Wolf
Schwester Thea Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 26
1. März 1932
Kollegen (Frankfurt, Alexandria)
Fritz KatzGerade hatte die jüdische Gemeinde in Alexandria (Ägypten) ihr modernes Krankenhaus errichtet. Nun benötigte sie dringend gut ausgebildetes Personal aus Europa. Das Frankfurter jüdische Krankenhaus stellte seinen Oberarzt Dr. Fritz Katz für zwei Jahre frei. Im März 1932 siedelte er nach Alexandria über. Zwei Monate später folgte ihm Thea Wolf, die er wegen ihrer Tüchtigkeit als Krankenschwester angefordert hatte. Sie war zeitweilig auch als Privatsekretärin für ihn tätig, was auf ein kollegiales Vertrauensverhältnis schließen lässt.
1. Mai 1932
–
1946
Lebensstation Alexandria (Ägypten)
Insgesamt lebte Thea Levinsohn-Wolf vom Mai 1932 bis 1946 in Alexandria.
1. Mai 1932
Überfahrt nach Alexandria
Im Mai 1932 schiffte sich Thea Wolf über Genua nach Alexandria ein. An Bord traf sie auf einen ganz besonderen Mitreisenden: Johann Fritz Heß, Vater des (1894 in Alexandria geborenen) Nationalsozialisten Rudolf Heß! Heß senior, ein Großkaufmann, gehörte dem nichtjüdischen Teil der deutschen Kolonie in Alexandria an. Die Begegnung zwischen der jüdischen Krankenschwester und dem Vater des späteren Hitler-Stellvertreters verlief zu dieser Zeit unkompliziert. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 34
um 1. Juni 1932
Errichtung eines Schwesternhauses
Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde AlexandriaAuf Anregung und unter Mitwirkung von Thea Wolf entstand auf dem Gelände des neuen jüdischen Krankenhauses von Alexandria ein Schwesternhaus.
1. Juli 1932
Oberschwester am Jüdischen Krankenhaus Alexandria
Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde AlexandriaGleich nach der Eröffnung im Juli 1932 wurde Thea Wolf Oberschwester der chirurgischen Abteilung des jüdischen Krankenhauses in Alexandria. Als OP-Schwester war sie für zwei Operationssäle verantwortlich. Zudem begleitete sie Prof. Mainzer und Dr. Katz, die öfters von hohen ägyptischen Staatsbeamten bis hin zu den Mitgliedern der Königsfamilie angefordert wurden, bei deren Hausbesuchen.
um 1933
–
um 1945
Rettung jüdischer Verfolgter
Fritz KatzIm ägyptischen Exil engagierten sich Thea Wolf und Fritz Katz für NS-Verfolgte aus Europa. Dabei wurden sie auch von Einheimischen unterstützt. Die Ausweisung jüdischer Flüchtlinge zurück nach Nazi-Deutschland oder in NS-besetzte Länder lieferte sie der Shoah aus. Die Rettungsmaßnahmen umfassten unentgeltliche medizinische Behandlung, finanzielle Unterstützung, Fluchthilfe und gegebenenfalls auch die Vermittlung von „Scheinehen“ mit ägyptischen Staatsbürgern („weiße Heirat“). Verstorbene Emigrantinnen und Emigranten wurden auf dem Jüdischen Friedhof in Alexandria beigesetzt.
Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 48ff.
1934
Emigration
Nach zwei Jahren Dienst im Krankenhaus Alexandria sollte Thea Wolf an das jüdische Krankenhaus in Frankfurt zurückkehren. Infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme blieb sie jedoch in Ägypten. Der zeitlich begrenzte berufliche Auslandsaufenthalt geriet zum langjährigen rettenden Exil.
1. September 1940
–
Anfang 1. November 1942
Kriegsauswirkungen in Alexandria
Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde AlexandriaWährend des Afrikakriegs litt Alexandria fast zwei Jahre lang unter italienischen und deutschen Luftangriffen. Die Bombardierungen beschädigten auch Teile des Krankenhausgebäudes. Personal und Patienten des Jüdischen Krankenhauses Alexandria überlebten im Luftschutzkeller. Angesichts zahlreicher Verwundeter stieg der Behandlungsbedarf. Als die Nazi-Front näher rückte, flüchtete die jüdische Bevölkerung mit ägyptischer Hilfe vorübergehend aus Alexandria. Die tödliche Bedrohung endete mit der deutschen Niederlage bei El-Alamein im November 1942.
1. September 1940
–
13. Mai 1943
Zweiter Weltkrieg in Ägypten
Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde AlexandriaIm Laufe des Zweiten Weltkriegs rückte die nationalsozialistische Bedrohung auch für die jüdische Bevölkerung im Nahen und Mittleren Osten immer näher. Von seinem Kolonialgebiet Libyen aus griff das faschistische Italien unter Benito Mussolini im September 1940 Ägypten an, das unter britischer Herrschaft stand. Im Februar 1941 trat das "Deutsche Afrikakorps" unter Erich Rommel erfolgreich in den Wüstenkrieg ein, der dann aber am 13. Mai 1943 mit der Kapitulation der deutsch-italienischen Heeresgruppe Afrika endete. Letztlich verhinderte der Sieg der alliierten Truppen (Briten, Amerikaner, Australier, Südafrikaner, Exiltruppen, jüdische Brigade) über die Deutschen einen Massenmord an den jüdischen Gemeinden des Vorderen Orients: In Athen stand bereits ein "Einsatzkommando" unter dem berüchtigten SS-Sturmbannführer Walter Rauff ("Erfinder" der Gaswagen) bereit.
um 1941
Als "Spione" verdächtigt
Fritz KatzDas Königreich Ägypten stand unter britischer Mandatsherrschaft. Im Krieg mit Deutschland und Italien behandelte die britische Kolonialmacht auch jüdische Emigrierte – die doch aus Nazi-Deutschland geflohen waren! – als „feindliche Ausländer“ und „deutsche Spione“. Dr. Fritz Katz kam für zwei Wochen in Haft. Thea Wolfs Zimmer im Schwesternhaus wurde durchsucht. Ihre Verhaftung als angebliche „Spionin“ verhinderte eine im Krankenhaus tätige Verwandte des ägyptischen Königs.
27. Oktober 1941
Deportation von Thea Wolfs Eltern
Am 27. Oktober 1941 (Gedenkbuch BA Koblenz) wurden Thea Wolfs Eltern Johan(n)ette und Moritz Wolf über Düsseldorf in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz, Polen) deportiert. Dort verlieren sich ihre Lebensspuren. Zeitlebens litt Thea Wolf darunter, dass sie durch ihren Aufenthalt in Alexandria zu den wenigen Überlebenden der Großfamilie Wolf / Schwarz zählte. "Unser einziger Weg ist Arbeit", Katalog Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 63f. Gedenkbuch BA Koblenz, Link
1942
Deportation von Alice Wolf (Schwester) und Herbert Wolf (Neffe)
Im Jahre 1936 wurde Thea Wolfs schwangere Schwester Alice Wolf (geb. 07.11.1909) in ihrem Essener Elternhaus wegen "Rassenschande" verhaftet. Sie war mit einem Nichtjuden verlobt; eine Eheschließung verhinderten die Nürnberger Rassengesetze. Nach 2 Wochen Haft flüchtete sie nach Amsterdam. Dort brachte sie am 17. Juni 1937 ihren Sohn Herbert (nach Thea Wolf: Horst) nichtehelich zur Welt. In Soestdyk betreute Alice Wolf deutsch-jüdische Kleinkinder aus so genannten "Mischehen". Nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 begannen die Judenverfolgungen. Alice Wolf wurde zusammen mit ihrem Sohn und weiteren kleinen Schützlingen über das KZ und "Judendurchgangslager" Westerbork in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Der fünfjährige Herbert (Horst) Wolf wurde am 17. Juli 1942 ermordet, seine Mutter Alice am 30. September 1942. Thea Wolf erfuhr davon erst nach Kriegsende. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 64f. Digitaal Monument Joodse Gemeenschap in Nederland, Homepage Sterbebücher von Auschwitz, Mehrbändiges Werk Gedenken in BeNeLux, Link In memoriam, S. 43, S. 49 (Abb.)
1944
Thea Levinsohn-Wolf 1944 im Garten des Jüdischen Krankenhauses in Alexandria
Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde AlexandriaNachweis: Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland – Ägypten – Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 82
1. September 1946
Urlaubsreise nach Oberägypten
Im September 1946 unterbrach Thea Wolf ihre anstrengende Tätigkeit im Krankenhaus durch eine ausgedehnte Urlaubsreise. In Oberägypten besichtigte sie die historischen Stätten von Luxor, Karnak, Theben, Assouan, Kom-Ombo, Edfu, Elefantin und auf der Kitchener Insel: "Ich tauchte ein in diese großartige Welt der Skulpturen, Schrifttafeln, Tempel und Königsgräber." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 92
1. Januar 1947
Auswanderung nach Palästina
Thea Wolfs Familie wurde durch die Nationalsozialisten ausgelöscht. Nach Kriegsende kehrte sie deshalb nicht mehr nach Deutschland zurück. Stattdessen wollte sie in Palästina am Aufbau einer jüdischen Heimstätte mitwirken. Durch den nationalsozialistischen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft war sie jedoch staatenlos geworden. Beim Grenzübertritt von Ägypten nach Palästina musste sie die britische Mandatsmacht überlisten. Im Januar 1947 erreichte Thea Wolf die Stadt Haifa. Ein neuer Lebensabschnitt lag vor ihr.
1. April 1947
–
1. Oktober 1954
OP-Schwester in Tiberias
Schweizer HospitalEine neue Wirkungsstätte fand Thea Wolf als Operationsschwester im "Schweizer Hospital", dem einzigen Krankenhaus in Tiberias. Dort arbeitete sie vom April 1947 bis zu ihrer Remigration im Oktober 1954. Die Stadt Tiberias liegt in Galiläa am See Genezareth. Durch die nahen christlichen und jüdischen Stätten zieht sie Touristen aus aller Welt an. Dort sind u.a. die Gräber der jüdischen Matriarchinnen sowie des berühmten Mediziners, Philosophen und Rechtsgelehrten Moses Maimonides zu besichtigen. In Tiberias lebte Thea Levinsohn-Wolf über sieben Jahre lang. Sie beherrschte bereits die arabische Sprache und lernte jetzt auch Hebräisch.
1948
Deutsche und israelische Staatsbürgerin
1948 wurde Thea Levinsohn-Wolf mit der Gründung des jüdischen Staates israelische Staatsbürgerin. 1953 nahm sie wegen eines geplanten längeren Deutschland-Aufenthalts zusätzlich (wieder) die deutsche Staatsbürgerschaft an.
1. März 1950
Eheschließung mit Julius Levinsohn in Tiberias
Im März 1950 heiratete Thea Wolf in Israel den deutsch-jüdischen Emigranten Dr. jur. Joseph-Julius (auch: Josef) Levinsohn (17.10.1895 - 23.02.1965), Direktor des Gymnasiums von Tiberias. Julius Levinsohn war verwitwet und Vater von zwei Kindern (Judith und Rafael), die ihm mehrere Enkel schenkten. Er stammte aus dem ehemaligen ostpreußischen Königsberg (heute: Kaliningrad), wo er als Rechtsanwalt tätig war. Gleich zu Beginn der NS-Zeit wurde er verhaftet, kam wieder frei und floh nach Palästina. Die große und traditionsreiche jüdische Gemeinde zu Königsberg wurde unter dem Nationalsozialismus ausgelöscht. Die jüdische Minderheit in Königsberg, Preussen, 1871 - 1945, Buch
1. Juli 1953
Erster Deutschland-Besuch
Um überlebende Verwandte in Köln zu besuchen, überwand Thea Levinsohn-Wolf ihre Vorbehalte und Ängste: Im Sommer 1953 bereiste sie gemeinsam mit ihrem Mann das "Land der Täter". Zwei Jahrzehnte zuvor waren beide aus ihrer deutschen Heimat vertrieben worden. Auf den Spuren ihrer ermordeten Eltern besuchte Thea Levinsohn-Wolf auch ihre Geburtsstadt Essen. Das Metzgereigeschäft und die Wurstfabrik ihres Vaters hatte während des Novemberpogroms 1938 eine Nazi-Horde zerstört.
1. Oktober 1954
Remigration
Im Oktober 1954 remigrierte Julius Levinsohn nach Deutschland. Der promovierte Jurist wollte an Körper und Seele geschädigten NS-Opfern, vor allem jüdischen Shoah-Überlebenden, bei ihren Entschädigungsansprüchen (Bundesentschädigungsgesetz) helfen. Schweren Herzens begleitete Thea Levinsohn-Wolf ihren Mann, der seine Kanzlei in Essen eröffnete. Doch die Geburtsstadt war ihr fremd geworden. Unablässig fühlte sie sich an den Verlust ihrer Angehörigen erinnert. In der Kanzlei unterstützte sie ihren Mann als Bürokraft. Doch wurde das Ehepaar Levinsohn in Deutschland nicht mehr heimisch: "Wir hatten beide das Gefühl, eine sehr positive, obwohl mit sehr viel Leid getränkte Arbeit zu leisten. Die Wiedergutmachungstätigkeit erleichterte uns unser ,Exil-Dasein´ fürs erste." Heimkehr in ein fremdes Land, Buch Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 123 "Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause", Buch Nach der Verfolgung, Buch
1965
Rückkehr nach Israel
Julius Levinsohn starb am 23. Februar 1965 mit fast 70 Jahren. Er wurde von Essen nach Jerusalem überführt und dort beerdigt. Thea Levinsohn-Wolf baute sich in Jerusalem eine neue Existenz auf.
1. Juli 1965
–
1. September 1977
Regierungsangestellte im Verteidigungsministerium
Von Juli 1965 bis zu ihrer Pensionierung im September 1977 arbeitete Thea Levinsohn-Wolf als Regierungsangestellte im israelischen Verteidigungsministerium. Als Betroffene und Zeitzeugin erlebte sie aus nächster Nähe den "Nahostkonflikt" zwischen Israel, den Palästinensern und den arabischen Nachbarstaaten. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 163
1978
–
1995
Verbindung von sozialer Arbeit und Pflege bei OPEN DOOR
Nach ihrer Pensionierung setzte sich Thea Levinsohn-Wolf keineswegs zur Ruhe. Mit zwei ehemaligen Kolleginnen aus dem Verteidigungsministerium baute sie die Initiative OPEN DOOR auf und betreute sie bis 1995 als ehrenamtliche Helferin. Das Tagesheim OPEN DOOR (deutsch: Offene Tür) im Jerusalemer Stadtteil Rechavia war sozialer und kultureller Treffpunkt für ältere, allein stehende und hilfsbedürftige Menschen. Viele von ihnen kamen aus Deutschland, später auch aus Russland. "Während meiner Jahre seit Beginn der OPEN DOOR trug uns alle das gute Gefühl, eine große, eng verbundene Familie zu sein, und vielen unserer älteren Mitbürger und unter den Neueinwanderern aus allen Erdteilen eine helfende Hand bieten zu können." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 147
1984
Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie)
Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Thea1984 veröffentlichte Thea Levinsohn-Wolf ihre Lebenserinnerungen in englischer und hebräischer Sprache. Zu diesem Projekt hatte sie die israelische Professorin Ada Aharoni ermutigt.
1988
Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie) auf Arabisch
Aharoni, Ada; Wolf, Thea: TheaThea Levinsohn-Wolfs Erinnerungen wurden 1988 sogar in arabischer Sprache veröffentlicht.
29. September 1989
Gedenken an die ermordeten Angehörigen
Am 29. September 1989 legte Thea Levinsohn-Wolf ihr Kaddisch (jüdisches Totengebet) für die in der Shoah Ermordeten ihrer Familie schriftlich nieder. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 158-161
1991
Thea Levinsohn-Wolf
Thea Levinsohn-Wolf in der Essener Synagoge. Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland - Ägypten - Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 149
1993
–
1999
Zusammenarbeit mit Thea Levinsohn-Wolf
Hilde Steppe1993 kamen Hilde Steppe und Thea Levinsohn-Wolf erstmals in Kontakt. Die frühere Schwester am Frankfurter jüdischen Krankenhaus unterstützte als wichtige Zeitzeugin Hilde Steppes Doktorarbeit zur jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Bis zu Hilde Steppes Tod 1999 blieben die beiden Frauen einander freundschaftlich verbunden.
1994
Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf (Interview)
Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Gespräch mit Thea Levinsohn aus Jerusalem1995
Thea Levinsohn-Wolf
Thea Levinsohn-Wolf (links) mit Frau Professorin Dr. Sabine Rothe, 1995 in Jerusalem. © Eva-Maria Ulmer
um 1. Juli 1995
–
1999
Zweite Remigration und Wohnsitz in Iserlohn
Mit 87 Jahren kehrte Thea Levinsohn-Wolf 1995 ein zweites Mal nach Deutschland zurück. Diesmal blieb sie. Bis 1999 wohnte sie bei entfernten Verwandten in Iserlohn. Für die zweite Remigration nannte sie folgende Beweggründe: zum einen die ständige Gefährdung Israels; so griff Iraks Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg von 1991 das Land mit Scud-Raketen an. Zum anderen zog es Thea Levinsohn-Wolf im Alter in jene Region, der ihre in der Shoah ausgelöschte Familie entstammte: "Ich beschloss fortzufahren, in die "Heimat meiner Väter", in den Hunsrück, wo meine Vorfahren seit Jahrhunderten in vielen Dörfern bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ansässig waren. Die jüngere Generation wanderte von dort ins Ruhrgebiet ab, wo Kohlengruben, Zechen und Stahlwerke wirtschaftlichen Aufschwung versprachen." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 148
um 1. Juli 1995
Familienforschung
Thea Levinsohn-Wolfs Familie und Vorfahren stammten aus der Region Hunsrück (Landkreis Bad Kreuznach, hier Rheinland-Pfalz), dem so genannten "Oberland". Dort recherchierte Thea Levinsohn-Wolf in mühsamer Kleinarbeit zahlreiche Dokumente, Archivalien und Fotos. Sie stieß auch auf Familienanekdoten, etwa der eindrucksvollen Begegnung ihres Urgroßvaters Simon Wolf mit dem bekannten Räuber "Schinderhannes". Mit der genealogischen Spurensuche kehrte Thea Levinsohn-Wolf in die Vergangenheit ihrer deutsch-jüdischen Familie zurück und fand dort ihren Platz: "Ich bin mit ganz wenigen anderen Familienmitgliedern durch ein gütiges Schicksal der Shoah entgangen, aber ich habe keine wirkliche Grabstätte, zu der ich pilgern kann, um mein Kaddish, das Totengebet für meine Eltern und meine Schwester und ihren kleinen Sohn und die anderen Angehörigen zu sprechen. Obwohl in Essen geboren, fühle ich meine Wurzeln im Oberland. Das Wiedersehen mit diesem Fleckchen Erde tut mir wohl. Hier habe ich das Gefühl, mit meinen Eltern, mit meiner Schwester, mit meiner Familie zusammen zu sein." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 157
1996
Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie in Deutsch)
Levinsohn-Wolf, Thea: Stationen einer jüdischen Krankenschwester1996 publizierte Thea Levinsohn-Wolf ihre Lebenserinnerungen auch in deutscher Sprache - 12 Jahre nach der ersten Veröffentlichung in Englisch und Hebräisch. Ihre Autobiographie zählt zu den wenigen bekannten Selbstzeugnissen deutsch-jüdischer Krankenschwestern.
um 1996
Thea Levinsohn-Wolf mit Hilde Steppe
In der Fachhochschule Frankfurt am Main. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 9
6. Oktober 1999
Gedenkartikel von Thea Levinsohn-Wolf
Levinsohn, Thea: Persönliche Gedanken zu Hilde SteppeVerlesen von Frau Prof. Dr. Eva-Maria Ulmer anlässlich der Gedenktagung vom 6. Oktober 1999 für Hilde Steppe.
1. Dezember 1999
–
13. April 2005
Letzter Wohnsitz
Budge-Heim: Senioren-Wohnanlage und Pflegeheim der Henry und Emma Budge-StiftungVom 1. Dezember 1999 bis zum 13. April 2005 verbrachte Thea Levinsohn-Wolf ihren Lebensabend im Frankfurter Budge-Seniorenheim.
13. April 2005
Sterbeort von Thea Levinsohn-Wolf
Sankt Katharinen-KrankenhausDa in Frankfurt am Main kein jüdisches Krankenhaus mehr existiert, wurde Thea Levinsohn-Wolf am 13. April 2005 vom Budge-Seniorenheim in das nahe katholische Sankt Katharinen-Krankenhaus verlegt. Dort starb sie hochbetagt mit 97 Jahren.
13. April 2005
Todestag
2011
Roman über das Ghetto Litzmannstadt/Lodz (Deportationsort von Thea Levinsohn-Wolfs Eltern)
Sem-Sandberg, Steve: Die Elenden von Lodz2012
Informationen zu Herbert Wolf (Neffe)
Luijters, Guus: In memoriam2017
Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf
Kasper-Holtkotte, Cilli: Deutschland in ÄgyptenEhemalige Kolleginnen in Palästina / Israel
Beate (Berta) BlautDie etwa gleichaltrigen ehemaligen Frankfurter Krankenschwestern Berta (Beate) Blaut geb. Fromm und Thea Levinsohn-Wolf lebten beide in Israel. Ob sie in Kontakt standen, ist unbekannt.