Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Thea Levinsohn-Wolf geborene Wolf

Geboren am 10.12.1907 in Essen

Gestorben am 13.04.2005 in Frankfurt am Main

Begräbnisstätte Jüdischer Friedhof Bad Kreuznach

Nationalität deutsch

Religion jüdisch

Geburtsdatum

Die Krankenschwester Thea Levinsohn-Wolf wurde am 10. Dezember 1907 in der Industriestadt Essen (Nordrhein-Westfalen) im Zentrum des Ruhrgebiets geboren.


Kindheit und Jugend in Essen

Thea Wolf und ihre 1909 geborene Schwester Alice wuchsen gemeinsam in einer jüdischen Großfamilie im Essener Arbeiterviertel auf. Dort betrieben ihre Eltern Moritz Wolf und Johannette (Jeanette oder Jenny genannt) geb. Schwarz ein Metzgereigeschäft. Als Deutsche jüdischen Glaubens beachteten sie die jüdischen Feiertage und die koscheren Speisegebote. Im Ersten Weltkrieg diente der Vater als Soldat. Wie andere jüdische Familien legten auch die Wolfs großen Wert auf eine gute Ausbildung ihrer Töchter, was dazumal bei Mädchen nicht selbstverständlich war. Thea Wolf besuchte die Städtische Mädchenmittelschule Essen-Ruhr. Die Eltern hielten Thea und Alice Wolf frühzeitig dazu an, den Bedürftigen zu helfen. Später engagierten sich die Schwestern in der jüdischen Jugendbewegung. Thea kümmerte sich um verarmte jüdische Familien aus Polen, die nach dem Ersten Weltkrieg in das Ruhrgebiet geflüchtet waren. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 10-15 Jüdisches Leben in Essen, Buch Juden im Ruhrgebiet, Buch


Berufliche Anfänge als Buchhalterin

Auf Wunsch ihrer Eltern besuchte Thea Wolf die Städtische Höhere Handelsschule. Anschließend arbeitete sie von April 1924 bis Januar 1926 als erste Buchhalterin im "Merkur", einem Engros-Haus für Stoffe in Essen. Als das "Merkur" während der Inflationszeit in Konkurs ging, verlor auch Thea Wolf ihre Stelle. Ihre Arbeitslosigkeit sah sie jedoch als Chance, die ungeliebte kaufmännische Tätigkeit aufzugeben und einen sozialen Beruf zu ergreifen.


Erfahrungen als Sozialarbeiterin

Thea Levinsohn-Wolf verließ ihre Geburtsstadt Essen und zog nach Berlin-Hermsdorf. Von Februar 1926 bis Februar 1927 war sie als "Helferin ohne Gehalt" im "Waisenhaus des Frauenvereins von 1883" tätig. Dort betreute sie auch vernachlässigte und verwahrloste Kinder, die von ihren Eltern im Waisenhaus abgegeben wurden. Diese Erfahrungen erschütterten sie und formten zugleich ihr berufliches Ziel: Sie wollte nicht Sozialarbeiterin, sondern Krankenschwester werden.


Kolleginnen

Sara (Sarah) Adelsheimer

1927 betrat Thea Levinsohn-Wolf in Begleitung ihrer Tante Rosa erstmals das Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Dort nahm die damalige Oberschwester Sara Adelsheimer sie freundlich in Empfang. Später lebten beide in Israel. Ob sie dort wieder in Kontakt traten oder gar befreundet waren, ist unbekannt.



Kolleginnen

Sara (Sarah) Adelsheimer
1927 betrat Thea Levinsohn-Wolf in Begleitung ihrer Tante Rosa erstmals das Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Dort nahm die damalige Oberschwester Sara Adelsheimer sie freundlich in Empfang. Später lebten beide in Israel. Ob sie dort wieder in Kontakt traten oder gar befreundet waren, ist unbekannt.


Unterrichtender Arzt im Verein für jüdische Krankenpflegerinnen

Adolf Deutsch
Thea Levinsohn-Wolf, die ab 1927 Lehrschwester im Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main war, erwähnt Dr. Deutsch als einen ihrer Lehrer im mündlichen Unterricht nach der praktischen Arbeit im Krankenhaus. Thea Levinsohn-Wolf berichtet, 00:18:30 h


Ausbildung zur Krankenschwester

Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main
Im April 1927 wurde Thea Wolf als Lehrschwester in den Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main aufgenommen. In diesem Umfeld fühlte sie sich nach eigenem Bekunden "sehr wohl". Die Eltern hatten zunächst Einwände, widersprach doch Theas Werdegang dem traditionellen Rollenverständnis der Frau als Gattin und Mutter. Die zweijährige Lehrzeit zur staatlich geprüften Krankenschwester durchlief sie im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde. Die Oberschwester war Sara Adelsheimer. Thea Wolf lernte die inzwischen pensionierte Oberin und Gründerin des Schwesternvereins, Minna Hirsch, kennen. "Ich wurde auch allen älteren Schwestern vorgestellt. Sie trugen alle goldene Broschen zum Zeichen, dass sie seit mehr als fünfundzwanzig Jahren berufstätig waren. Sie saßen - nach ihrer Rangordnung - im mittleren Teil des Speisesaals. Ihnen gegenüber fühlte ich mich wie ein Kind am ersten Schultag. Ich fand meinen Platz und bekam eine Nummer an meine Serviettentasche gesteckt, es war die Nummer 181." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 20


Examen als Krankenschwester

Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main
Ihre zweijährige Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester, die sie durch alle Abteilungen geführt hatte, schloss Thea Wolf mit einem sehr guten Examen ab. (Als Examensmonat nennt sie in ihrer Autobiographie den April 1929, ihr "Ausweis für staatlich anerkannte Krankenpflegepersonen" ist auf den 28. März 1929 datiert.) Ihre Eltern waren sehr stolz auf ihre fleißige und zielstrebige Tochter, hofften aber weiterhin auf baldige Heirat und Familiengründung - vergeblich. Thea Wolf blieb dem Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt verbunden. Für ein Jahr war sie verantwortliche Krankenschwester in "in der chirurgischen Frauenstation für die Patienten der dritten Klasse". Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 26f., S. 162


Team der Chirurgischen Abteilung: Schwester Thea Wolf

Emil Altschüler


Thea Levinsohn-Wolf

Thea Levinsohn-Wolf mit Schwestern der chirurgischen Frauenstation im Hof des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde, Frankfurt am Main, Gagernstraße 36. Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland - Ägypten - Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 30


Chirurgische Abteilung

Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main
Ab Mitte 1930 wurde Thea Wolf zwei Jahre lang als Operations- und Narkoseschwester in der Chirurgischen Abteilung eingesetzt.


Kolleginnen

Rosa (Rosalie) Spiero
Oberschwester Rosa Spiero und Schwester Thea Wolf gehörten beide zum Team der Chirurgischen Abteilung.


Kolleginnen

Bertha Schönfeld
Thea Levinsohn-Wolf und Bertha Schönfeld gehörten beide zum Team der Chirurgischen Abteilung. Schwester Thea kam mit ihrer mitunter etwas schwierigen älteren Kollegin gut zurecht.


Team der Chirurgischen Abteilung: Schwester Thea Wolf



Berufliche Pläne

Nach drei Jahren Dienst im Frankfurter jüdischen Krankenhaus dachte Thea Wolf über ihre berufliche Zukunft nach. Sie erwog (nach Ablauf ihrer 5 Pflichtjahre) eine Zusatzausbildung als Hebamme oder Sozialarbeiterin. Ihr weiterer Lebensweg führte sie jedoch in das ferne Ägypten.


Thea Levinsohn-Wolf

Schwester Thea Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 26


Kollegen (Frankfurt, Alexandria)

Fritz Katz

Gerade hatte die jüdische Gemeinde in Alexandria (Ägypten) ihr modernes Krankenhaus errichtet. Nun benötigte sie dringend gut ausgebildetes Personal aus Europa. Das Frankfurter jüdische Krankenhaus stellte seinen Oberarzt Dr. Fritz Katz für zwei Jahre frei. Im März 1932 siedelte er nach Alexandria über. Zwei Monate später folgte ihm Thea Wolf, die er wegen ihrer Tüchtigkeit als Krankenschwester angefordert hatte. Sie war zeitweilig auch als Privatsekretärin für ihn tätig, was auf ein kollegiales Vertrauensverhältnis schließen lässt.



Lebensstation Alexandria (Ägypten)

Insgesamt lebte Thea Levinsohn-Wolf vom Mai 1932 bis 1946 in Alexandria.


Überfahrt nach Alexandria

Im Mai 1932 schiffte sich Thea Wolf über Genua nach Alexandria ein. An Bord traf sie auf einen ganz besonderen Mitreisenden: Johann Fritz Heß, Vater des (1894 in Alexandria geborenen) Nationalsozialisten Rudolf Heß! Heß senior, ein Großkaufmann, gehörte dem nichtjüdischen Teil der deutschen Kolonie in Alexandria an. Die Begegnung zwischen der jüdischen Krankenschwester und dem Vater des späteren Hitler-Stellvertreters verlief zu dieser Zeit unkompliziert. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 34


Errichtung eines Schwesternhauses

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Auf Anregung und unter Mitwirkung von Thea Wolf entstand auf dem Gelände des neuen jüdischen Krankenhauses von Alexandria ein Schwesternhaus.


Oberschwester am Jüdischen Krankenhaus Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Gleich nach der Eröffnung im Juli 1932 wurde Thea Wolf Oberschwester der chirurgischen Abteilung des jüdischen Krankenhauses in Alexandria. Als OP-Schwester war sie für zwei Operationssäle verantwortlich. Zudem begleitete sie Prof. Mainzer und Dr. Katz, die öfters von hohen ägyptischen Staatsbeamten bis hin zu den Mitgliedern der Königsfamilie angefordert wurden, bei deren Hausbesuchen.


Rettung jüdischer Verfolgter

Fritz Katz

Im ägyptischen Exil engagierten sich Thea Wolf und Fritz Katz für NS-Verfolgte aus Europa. Dabei wurden sie auch von Einheimischen unterstützt. Die Ausweisung jüdischer Flüchtlinge zurück nach Nazi-Deutschland oder in NS-besetzte Länder lieferte sie der Shoah aus. Die Rettungsmaßnahmen umfassten unentgeltliche medizinische Behandlung, finanzielle Unterstützung, Fluchthilfe und gegebenenfalls auch die Vermittlung von „Scheinehen“ mit ägyptischen Staatsbürgern („weiße Heirat“). Verstorbene Emigrantinnen und Emigranten wurden auf dem Jüdischen Friedhof in Alexandria beigesetzt.

Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 48ff.



Emigration

Nach zwei Jahren Dienst im Krankenhaus Alexandria sollte Thea Wolf an das jüdische Krankenhaus in Frankfurt zurückkehren. Infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme blieb sie jedoch in Ägypten. Der zeitlich begrenzte berufliche Auslandsaufenthalt geriet zum langjährigen rettenden Exil.


Kriegsauswirkungen in Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Während des Afrikakriegs litt Alexandria fast zwei Jahre lang unter italienischen und deutschen Luftangriffen. Die Bombardierungen beschädigten auch Teile des Krankenhausgebäudes. Personal und Patienten des Jüdischen Krankenhauses Alexandria überlebten im Luftschutzkeller. Angesichts zahlreicher Verwundeter stieg der Behandlungsbedarf. Als die Nazi-Front näher rückte, flüchtete die jüdische Bevölkerung mit ägyptischer Hilfe vorübergehend aus Alexandria. Die tödliche Bedrohung endete mit der deutschen Niederlage bei El-Alamein im November 1942.


Zweiter Weltkrieg in Ägypten

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Im Laufe des Zweiten Weltkriegs rückte die nationalsozialistische Bedrohung auch für die jüdische Bevölkerung im Nahen und Mittleren Osten immer näher. Von seinem Kolonialgebiet Libyen aus griff das faschistische Italien unter Benito Mussolini im September 1940 Ägypten an, das unter britischer Herrschaft stand. Im Februar 1941 trat das "Deutsche Afrikakorps" unter Erich Rommel erfolgreich in den Wüstenkrieg ein, der dann aber am 13. Mai 1943 mit der Kapitulation der deutsch-italienischen Heeresgruppe Afrika endete. Letztlich verhinderte der Sieg der alliierten Truppen (Briten, Amerikaner, Australier, Südafrikaner, Exiltruppen, jüdische Brigade) über die Deutschen einen Massenmord an den jüdischen Gemeinden des Vorderen Orients: In Athen stand bereits ein "Einsatzkommando" unter dem berüchtigten SS-Sturmbannführer Walter Rauff ("Erfinder" der Gaswagen) bereit.


Als "Spione" verdächtigt

Fritz Katz

Das Königreich Ägypten stand unter britischer Mandatsherrschaft. Im Krieg mit Deutschland und Italien behandelte die britische Kolonialmacht auch jüdische Emigrierte – die doch aus Nazi-Deutschland geflohen waren! – als „feindliche Ausländer“ und „deutsche Spione“. Dr. Fritz Katz kam für zwei Wochen in Haft. Thea Wolfs Zimmer im Schwesternhaus wurde durchsucht. Ihre Verhaftung als angebliche „Spionin“ verhinderte eine im Krankenhaus tätige Verwandte des ägyptischen Königs.



Deportation von Thea Wolfs Eltern

Am 27. Oktober 1941 (Gedenkbuch BA Koblenz) wurden Thea Wolfs Eltern Johan(n)ette und Moritz Wolf über Düsseldorf in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz, Polen) deportiert. Dort verlieren sich ihre Lebensspuren. Zeitlebens litt Thea Wolf darunter, dass sie durch ihren Aufenthalt in Alexandria zu den wenigen Überlebenden der Großfamilie Wolf / Schwarz zählte. "Unser einziger Weg ist Arbeit", Katalog Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 63f. Gedenkbuch BA Koblenz, Link


Deportation von Alice Wolf (Schwester) und Herbert Wolf (Neffe)

Im Jahre 1936 wurde Thea Wolfs schwangere Schwester Alice Wolf (geb. 07.11.1909) in ihrem Essener Elternhaus wegen "Rassenschande" verhaftet. Sie war mit einem Nichtjuden verlobt; eine Eheschließung verhinderten die Nürnberger Rassengesetze. Nach 2 Wochen Haft flüchtete sie nach Amsterdam. Dort brachte sie am 17. Juni 1937 ihren Sohn Herbert (nach Thea Wolf: Horst) nichtehelich zur Welt. In Soestdyk betreute Alice Wolf deutsch-jüdische Kleinkinder aus so genannten "Mischehen". Nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 begannen die Judenverfolgungen. Alice Wolf wurde zusammen mit ihrem Sohn und weiteren kleinen Schützlingen über das KZ und "Judendurchgangslager" Westerbork in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Der fünfjährige Herbert (Horst) Wolf wurde am 17. Juli 1942 ermordet, seine Mutter Alice am 30. September 1942. Thea Wolf erfuhr davon erst nach Kriegsende. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 64f. Digitaal Monument Joodse Gemeenschap in Nederland, Homepage Sterbebücher von Auschwitz, Mehrbändiges Werk Gedenken in BeNeLux, Link In memoriam, S. 43, S. 49 (Abb.)


Thea Levinsohn-Wolf 1944 im Garten des Jüdischen Krankenhauses in Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria

Nachweis: Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland – Ägypten – Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 82



Urlaubsreise nach Oberägypten

Im September 1946 unterbrach Thea Wolf ihre anstrengende Tätigkeit im Krankenhaus durch eine ausgedehnte Urlaubsreise. In Oberägypten besichtigte sie die historischen Stätten von Luxor, Karnak, Theben, Assouan, Kom-Ombo, Edfu, Elefantin und auf der Kitchener Insel: "Ich tauchte ein in diese großartige Welt der Skulpturen, Schrifttafeln, Tempel und Königsgräber." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 92


Auswanderung nach Palästina

Thea Wolfs Familie wurde durch die Nationalsozialisten ausgelöscht. Nach Kriegsende kehrte sie deshalb nicht mehr nach Deutschland zurück. Stattdessen wollte sie in Palästina am Aufbau einer jüdischen Heimstätte mitwirken. Durch den nationalsozialistischen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft war sie jedoch staatenlos geworden. Beim Grenzübertritt von Ägypten nach Palästina musste sie die britische Mandatsmacht überlisten. Im Januar 1947 erreichte Thea Wolf die Stadt Haifa. Ein neuer Lebensabschnitt lag vor ihr.


OP-Schwester in Tiberias

Schweizer Hospital
Eine neue Wirkungsstätte fand Thea Wolf als Operationsschwester im "Schweizer Hospital", dem einzigen Krankenhaus in Tiberias. Dort arbeitete sie vom April 1947 bis zu ihrer Remigration im Oktober 1954. Die Stadt Tiberias liegt in Galiläa am See Genezareth. Durch die nahen christlichen und jüdischen Stätten zieht sie Touristen aus aller Welt an. Dort sind u.a. die Gräber der jüdischen Matriarchinnen sowie des berühmten Mediziners, Philosophen und Rechtsgelehrten Moses Maimonides zu besichtigen. In Tiberias lebte Thea Levinsohn-Wolf über sieben Jahre lang. Sie beherrschte bereits die arabische Sprache und lernte jetzt auch Hebräisch.


Deutsche und israelische Staatsbürgerin

1948 wurde Thea Levinsohn-Wolf mit der Gründung des jüdischen Staates israelische Staatsbürgerin. 1953 nahm sie wegen eines geplanten längeren Deutschland-Aufenthalts zusätzlich (wieder) die deutsche Staatsbürgerschaft an.


Eheschließung mit Julius Levinsohn in Tiberias

Im März 1950 heiratete Thea Wolf in Israel den deutsch-jüdischen Emigranten Dr. jur. Joseph-Julius (auch: Josef) Levinsohn (17.10.1895 - 23.02.1965), Direktor des Gymnasiums von Tiberias. Julius Levinsohn war verwitwet und Vater von zwei Kindern (Judith und Rafael), die ihm mehrere Enkel schenkten. Er stammte aus dem ehemaligen ostpreußischen Königsberg (heute: Kaliningrad), wo er als Rechtsanwalt tätig war. Gleich zu Beginn der NS-Zeit wurde er verhaftet, kam wieder frei und floh nach Palästina. Die große und traditionsreiche jüdische Gemeinde zu Königsberg wurde unter dem Nationalsozialismus ausgelöscht. Die jüdische Minderheit in Königsberg, Preussen, 1871 - 1945, Buch


Erster Deutschland-Besuch

Um überlebende Verwandte in Köln zu besuchen, überwand Thea Levinsohn-Wolf ihre Vorbehalte und Ängste: Im Sommer 1953 bereiste sie gemeinsam mit ihrem Mann das "Land der Täter". Zwei Jahrzehnte zuvor waren beide aus ihrer deutschen Heimat vertrieben worden. Auf den Spuren ihrer ermordeten Eltern besuchte Thea Levinsohn-Wolf auch ihre Geburtsstadt Essen. Das Metzgereigeschäft und die Wurstfabrik ihres Vaters hatte während des Novemberpogroms 1938 eine Nazi-Horde zerstört.


Remigration

Im Oktober 1954 remigrierte Julius Levinsohn nach Deutschland. Der promovierte Jurist wollte an Körper und Seele geschädigten NS-Opfern, vor allem jüdischen Shoah-Überlebenden, bei ihren Entschädigungsansprüchen (Bundesentschädigungsgesetz) helfen. Schweren Herzens begleitete Thea Levinsohn-Wolf ihren Mann, der seine Kanzlei in Essen eröffnete. Doch die Geburtsstadt war ihr fremd geworden. Unablässig fühlte sie sich an den Verlust ihrer Angehörigen erinnert. In der Kanzlei unterstützte sie ihren Mann als Bürokraft. Doch wurde das Ehepaar Levinsohn in Deutschland nicht mehr heimisch: "Wir hatten beide das Gefühl, eine sehr positive, obwohl mit sehr viel Leid getränkte Arbeit zu leisten. Die Wiedergutmachungstätigkeit erleichterte uns unser ,Exil-Dasein´ fürs erste." Heimkehr in ein fremdes Land, Buch Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 123 "Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause", Buch Nach der Verfolgung, Buch


Rückkehr nach Israel

Julius Levinsohn starb am 23. Februar 1965 mit fast 70 Jahren. Er wurde von Essen nach Jerusalem überführt und dort beerdigt. Thea Levinsohn-Wolf baute sich in Jerusalem eine neue Existenz auf.


Regierungsangestellte im Verteidigungsministerium

Von Juli 1965 bis zu ihrer Pensionierung im September 1977 arbeitete Thea Levinsohn-Wolf als Regierungsangestellte im israelischen Verteidigungsministerium. Als Betroffene und Zeitzeugin erlebte sie aus nächster Nähe den "Nahostkonflikt" zwischen Israel, den Palästinensern und den arabischen Nachbarstaaten. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 163


Verbindung von sozialer Arbeit und Pflege bei OPEN DOOR

Nach ihrer Pensionierung setzte sich Thea Levinsohn-Wolf keineswegs zur Ruhe. Mit zwei ehemaligen Kolleginnen aus dem Verteidigungsministerium baute sie die Initiative OPEN DOOR auf und betreute sie bis 1995 als ehrenamtliche Helferin. Das Tagesheim OPEN DOOR (deutsch: Offene Tür) im Jerusalemer Stadtteil Rechavia war sozialer und kultureller Treffpunkt für ältere, allein stehende und hilfsbedürftige Menschen. Viele von ihnen kamen aus Deutschland, später auch aus Russland. "Während meiner Jahre seit Beginn der OPEN DOOR trug uns alle das gute Gefühl, eine große, eng verbundene Familie zu sein, und vielen unserer älteren Mitbürger und unter den Neueinwanderern aus allen Erdteilen eine helfende Hand bieten zu können." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 147


Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie)

Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Thea
1984 veröffentlichte Thea Levinsohn-Wolf ihre Lebenserinnerungen in englischer und hebräischer Sprache. Zu diesem Projekt hatte sie die israelische Professorin Ada Aharoni ermutigt.


Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie) auf Arabisch

Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Thea
Thea Levinsohn-Wolfs Erinnerungen wurden 1988 sogar in arabischer Sprache veröffentlicht.


Gedenken an die ermordeten Angehörigen

Am 29. September 1989 legte Thea Levinsohn-Wolf ihr Kaddisch (jüdisches Totengebet) für die in der Shoah Ermordeten ihrer Familie schriftlich nieder. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 158-161


Thea Levinsohn-Wolf

Thea Levinsohn-Wolf in der Essener Synagoge. Thea Levinsohn-Wolf, Stationen einer jüdischen Krankenschwester. Deutschland - Ägypten - Israel, Frankfurt am Main 1996, S. 149


Zusammenarbeit mit Thea Levinsohn-Wolf

Hilde Steppe
1993 kamen Hilde Steppe und Thea Levinsohn-Wolf erstmals in Kontakt. Die frühere Schwester am Frankfurter jüdischen Krankenhaus unterstützte als wichtige Zeitzeugin Hilde Steppes Doktorarbeit zur jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Bis zu Hilde Steppes Tod 1999 blieben die beiden Frauen einander freundschaftlich verbunden.


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf (Interview)

Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Gespräch mit Thea Levinsohn aus Jerusalem


Thea Levinsohn-Wolf

Thea Levinsohn-Wolf (links) mit Frau Professorin Dr. Sabine Rothe, 1995 in Jerusalem. © Eva-Maria Ulmer


Zweite Remigration und Wohnsitz in Iserlohn

Mit 87 Jahren kehrte Thea Levinsohn-Wolf 1995 ein zweites Mal nach Deutschland zurück. Diesmal blieb sie. Bis 1999 wohnte sie bei entfernten Verwandten in Iserlohn. Für die zweite Remigration nannte sie folgende Beweggründe: zum einen die ständige Gefährdung Israels; so griff Iraks Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg von 1991 das Land mit Scud-Raketen an. Zum anderen zog es Thea Levinsohn-Wolf im Alter in jene Region, der ihre in der Shoah ausgelöschte Familie entstammte: "Ich beschloss fortzufahren, in die "Heimat meiner Väter", in den Hunsrück, wo meine Vorfahren seit Jahrhunderten in vielen Dörfern bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ansässig waren. Die jüngere Generation wanderte von dort ins Ruhrgebiet ab, wo Kohlengruben, Zechen und Stahlwerke wirtschaftlichen Aufschwung versprachen." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 148


Familienforschung

Thea Levinsohn-Wolfs Familie und Vorfahren stammten aus der Region Hunsrück (Landkreis Bad Kreuznach, hier Rheinland-Pfalz), dem so genannten "Oberland". Dort recherchierte Thea Levinsohn-Wolf in mühsamer Kleinarbeit zahlreiche Dokumente, Archivalien und Fotos. Sie stieß auch auf Familienanekdoten, etwa der eindrucksvollen Begegnung ihres Urgroßvaters Simon Wolf mit dem bekannten Räuber "Schinderhannes". Mit der genealogischen Spurensuche kehrte Thea Levinsohn-Wolf in die Vergangenheit ihrer deutsch-jüdischen Familie zurück und fand dort ihren Platz: "Ich bin mit ganz wenigen anderen Familienmitgliedern durch ein gütiges Schicksal der Shoah entgangen, aber ich habe keine wirkliche Grabstätte, zu der ich pilgern kann, um mein Kaddish, das Totengebet für meine Eltern und meine Schwester und ihren kleinen Sohn und die anderen Angehörigen zu sprechen. Obwohl in Essen geboren, fühle ich meine Wurzeln im Oberland. Das Wiedersehen mit diesem Fleckchen Erde tut mir wohl. Hier habe ich das Gefühl, mit meinen Eltern, mit meiner Schwester, mit meiner Familie zusammen zu sein." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 157


Literatur von Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie in Deutsch)

Levinsohn-Wolf, Thea: Stationen einer jüdischen Krankenschwester
1996 publizierte Thea Levinsohn-Wolf ihre Lebenserinnerungen auch in deutscher Sprache - 12 Jahre nach der ersten Veröffentlichung in Englisch und Hebräisch. Ihre Autobiographie zählt zu den wenigen bekannten Selbstzeugnissen deutsch-jüdischer Krankenschwestern.


Thea Levinsohn-Wolf mit Hilde Steppe

In der Fachhochschule Frankfurt am Main. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 9


Gedenkartikel von Thea Levinsohn-Wolf

Levinsohn, Thea: Persönliche Gedanken zu Hilde Steppe
Verlesen von Frau Prof. Dr. Eva-Maria Ulmer anlässlich der Gedenktagung vom 6. Oktober 1999 für Hilde Steppe.


Letzter Wohnsitz

Budge-Heim: Senioren-Wohnanlage und Pflegeheim der Henry und Emma Budge-Stiftung
Vom 1. Dezember 1999 bis zum 13. April 2005 verbrachte Thea Levinsohn-Wolf ihren Lebensabend im Frankfurter Budge-Seniorenheim.


Sterbeort von Thea Levinsohn-Wolf

Sankt Katharinen-Krankenhaus
Da in Frankfurt am Main kein jüdisches Krankenhaus mehr existiert, wurde Thea Levinsohn-Wolf am 13. April 2005 vom Budge-Seniorenheim in das nahe katholische Sankt Katharinen-Krankenhaus verlegt. Dort starb sie hochbetagt mit 97 Jahren.


Todestag



Roman über das Ghetto Litzmannstadt/Lodz (Deportationsort von Thea Levinsohn-Wolfs Eltern)

Sem-Sandberg, Steve: Die Elenden von Lodz


Informationen zu Herbert Wolf (Neffe)

Luijters, Guus: In memoriam


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf

Kasper-Holtkotte, Cilli: Deutschland in Ägypten


Ehemalige Kolleginnen in Palästina / Israel

Beate (Berta) Blaut

Die etwa gleichaltrigen ehemaligen Frankfurter Krankenschwestern Berta (Beate) Blaut geb. Fromm und Thea Levinsohn-Wolf lebten beide in Israel. Ob sie in Kontakt standen, ist unbekannt.



Frankfurter jüdische Pflegende mit biografischen Bezügen zu Essen

Walter Kleczewski


Jüdische Geschichte in Ägypten

Seit mindestens 2.300 Jahren in Ägypten ansässig, gehören die dortigen jüdischen Gemeinden zu den ältesten der Welt. In Alexandria (Thea Wolfs langjährigem Wirkungsfeld) sind bereits seit der Stadtgründung durch den hellenistischen Eroberer Alexander jüdische Einwohner/innen nachweisbar. In der osmanischen Zeit umfasste die jüdische Bevölkerung in Ägypten etwa 25.000 Menschen. Wie die christliche hatte auch die jüdische Minderheit gegenüber der islamischen Mehrheit als "Dhimmis" (Schutzbefohlene) einen geringeren Status, wurde aber als Buchreligion respektiert. Doch gab es auch Ausschreitungen gegen jüdische Gemeinden und Einrichtungen, die aber nie europäische Dimensionen (NS-Deutschland, russisches Zarenreich) erreichten. 1937 war die Zahl durch die aus NS-Deutschland Vertriebenen auf 63.500 Juden gestiegen. 1938 brachen in vielen Städten Ägyptens gewalttätige Proteste gegen eine weitere Zuwanderung aus. Der Nationalsozialismus hinterließ - in Gestalt des von Erwin Rommel kommandierten Deutschen Afrikakorps - auch in Ägypten seine Spuren. Muslimische Hitler-Sympathisanten verübten Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung. Noch 1947 richtete die überwiegend deutsch-freundliche ägyptische Regierung Maßnahmen gegen Juden, die u.a. aus dem ägyptischen Wirtschaftsleben ausgegrenzt wurden. Anlässlich der Staatsgründung Israels wurden 1948 fast 75.000 Juden des Landes verwiesen. Trotzdem sollen noch 1950 35.000 bis 40.000 Juden in Ägypten gelebt haben, bis die Folgekriege 1956 und 1973 auch sie vertrieben. Die jüdische Gemeinde Ägyptens zählt heute weniger als 100 Mitglieder. Jüdisches Leben in Kairo - eine Spurensuche, E-Artikel Rosch Haschana in Ägypten, Artikel


Literatur zur Emigration nach Palästina/Israel

Zabel, Hermann: Nächstes Jahr in Jerusalem


Literatur zur Emigration nach Palästina/Israel

Kliner-Fruck, Martina: "Es ging ja ums Überleben"


Literatur zur Emigration nach Palästina/Israel

Koppel, Gabriele: Heimisch werden


Literatur zur jüdischen Geschichte im Ruhrgebiet

Barbian, Jan-Pieter; Brocke, Michael; Heid, Ludger: Juden im Ruhrgebiet


Literatur zur jüdischen Geschichte in Ägypten

Landau, Jacob M.: Jews in Nineteenth-Century Egypt


Literatur zur jüdischen Geschichte in Ägypten

Krämer, Gudrun: Minderheit, Millet, Nation?


Literatur zur jüdischen Geschichte in Ägypten

Krämer, Gudrun: The Jews in Modern Egypt


Literatur zur jüdischen Geschichte in Essen (bis 1933)

Krämer, Gudrun: Jüdisches Leben in Essen


Literatur zur Remigration nach Deutschland

Krauss, Marita: Heimkehr in ein fremdes Land


Literatur zur Remigration nach Deutschland

Krauss, Marita: "Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause"


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf

Levinsohn-Wolf, Thea; Aharoni, Ada: The Jewish Hospital in Alexandria


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf

Aharoni, Ada; Wolf, Thea: Thea


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf

Benson, Evelyn Rose: Nursing in Germany


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf (Autobiographie)

Levinsohn-Wolf, Thea: Stationen einer jüdischen Krankenschwester


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf (Biographie)

Aharoni, Ada: Not in Vain


Literatur zu Thea Levinsohn-Wolf (Rezension)

Bara, Judith: Rez: "Not in Vain"


Thea Levinsohn-Wolf über Alexandria

Alexandria war für Thea Levinsohn-Wolf eine wichtige Lebensstation: "Die Jüdische Gemeinde in Alexandria nahm mich wie eine nahe Verwandte auf. Es war eine viele Jahrhunderte alte, hoch kulturelle und sehr gut organisierte, blühende Gemeinde von vierzigtausend Juden. Ich blieb fünfzehn [sic!] Jahre im Land des Nils und rettete so mein Leben." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 32


Thea Levinsohn-Wolf über das Schweizer Hospital in Tiberias

Schweizer Hospital
In Tiberias (Palästina, später Israel) behandelte Thea Levinsohn-Wolf Juden und Araber, Christen und Bahais. Über das Schweizer Hospital schrieb sie (für den Zeitraum 1947-1954): "Das Krankenhaus war das einzige Hospital für die ganze Bevölkerung von Tiberias, für alle Kibbuzim und Moshavim (kleine Siedlungen, bewohnt von Familien, die selbständig Ackerbau und Viehzucht betreiben und die Erträge über Genossenschaften vermarkten) in der ganzen Jordansenke, für Galiläa und dessen Kibbuzim und Siedlungen, für die Stadt Safed, für Rosh-Pina und das Gebiet bis hinauf an die libanesische Grenze einschließlich der Stadt Methulla." "Ich hatte aber auch, als ich meine Arbeit in Tiberias anfing, die Gelegenheit, mein Arabisch nicht zu vergessen, wegen der arabischen Bevölkerung in Tiberias und bis an die jordanische Grenze im Osten und die libanesische im Norden. Gleiches galt für das Dorf Addessiah, östlich des Jordans, gegenüber des Kibbuz Aschdot-Ja´akov. Dieses Dorf war von Bahai (Anhängern des Bahaismus) bewohnt, die sich als Bauern auszeichneten und ihre Produkte auf den Markt in Tiberias brachten." Während der Kämpfe zwischen Juden, Arabern und Briten war das Schweizer Hospital auch Militärkrankenhaus. Nach der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 gehörten auch die vielen jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern zu den Patientinnen und Patienten, ebenso die Zuwanderer/innen aus Europa. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 104, S. 105 Juden im Orient, Buch


Thea Levinsohn-Wolf zum Judentum im Frankfurter Krankenhaus

Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main
Zur Glaubenspraxis im Krankenhaus der (liberalen) jüdischen Gemeinde zu Frankfurt vermerkte Thea Levinsohn-Wolf: "Wir ... legten am Vorabend des Sabbat Deckchen auf die Nachttische, und wir mussten natürlich alle ausnahmslos von Beginn des Sabbat bis zu seinem Ausgang die strengen Regeln gemäß unserer Religion befolgen." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 24


Thea Levinsohn-Wolf zum Judentum im Krankenhaus von Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Über jüdische Feiern im Krankenhaus von Alexandria berichtete Thea Levinsohn-Wolf: "Jede Brith-Milah (Beschneidung eines Knaben) war nicht nur ein freudiges Ereignis für die jeweilige Familie, sondern ... auch für das Personal. Wir hatten im ersten Stock des Krankenhauses einen großen Saal für diese Zeremonie und andere Feierlichkeiten zur Verfügung. Alle Anwesenden wurden mit einem Tellerchen mit gezuckerten Mandeln beschenkt. Das Tellerchen war oft aus Silber." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 40


Thea Levinsohn-Wolf zum Personal des Jüdischen Krankenhauses Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Nach Thea Levinsohn-Wolfs Angaben stand Prof. Dr. Fritz Mainzer (zuvor Universität Rostock) der Inneren Medizinischen Abteilung des Jüdischen Krankenhauses Alexandria vor. Dr. Fritz Joel aus Berlin leitete das umfangreiche Laboratorium. Thea Levinsohn-Wolf war von der internationalen Zusammensetzung des Krankenhauspersonals beeindruckt: "Das Büropersonal, Apotheken-, Röntgen-, Küchen-, Wäscherei-, Labor- und Hilfspersonal, die Krankenpflegerinnen, Ärzte, sie bildeten ein buntes Gemisch - wie beim Turmbau zu Babel: Araber, Griechen, Italiener, Malteser, Österreicher, Engländer, Franzosen, einige deutsche Krankenpflegerinnen, die in Ägypten geboren und in Deutschland ausgebildet worden waren, und ägyptische Juden. Die erste Hebamme war eine russische Jüdin. Sie wurde bei Entbindungen auch ins Königshaus und zu allen Verwandten der königlichen Familie gerufen." Zu den anderen Krankenhäusern Ägyptens sowie den freien Arztpraxen wurde der kollegiale Austausch gepflegt. Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 38


Thea Levinsohn-Wolf zum Schwesternberuf

Ihr Verständnis des Berufs - oder besser: der Berufung - der Krankenschwester formulierte Thea Levinsohn-Wolf wie folgt: "Vom ersten Tag meines Eintritts in die Schwesterngemeinschaft und meiner Arbeit als Lehrschwester an hatte ich das gute Gefühl, ein Rädchen in einer wichtigen Gemeinschaft geworden zu sein. Ich konnte etwas tun, um Leiden zu lindern und unheilbar Kranken bei ihrem Hinübergehen in eine andere Welt ihre letzten Augenblicke auf dieser Welt zu erleichtern. Während meiner siebenundzwanzig Jahre als Stationsschwester, Operationsschwester und Oberschwester bin ich meinen guten Vorsätzen immer treu geblieben." "Unser Leitmotiv war: Eine Schwester ist da, um zu dienen, und nicht, um zu verdienen." Auch in der Freizeit wurde - so Thea Levinsohn-Wolf - Wert auf das angemessene Auftreten einer Krankenschwester gelegt: "Wir Lehrschwestern durften nur in ganz wenigen Ausnahmen in Zivilkleidung ausgehen, aber wir trugen unsere Uniform mit Stolz, und wohin wir auch gingen, wurden wir immer mit Ehrerbietung gegrüßt." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 23, S. 24


Thea Levinsohn-Wolf zum Überleben nach der Shoah

Viele Überlebende der Shoah quälten sich - ganz im Gegensatz zu den verantwortlichen Tätern - mit Schuldgefühlen. Als Thea Wolf erfuhr, dass von ihren über sechzig deportierten Angehörigen und Verwandten nur wenige überlebt hatten, kämpfte sie mit Depressionen: "Ich fühlte mich plötzlich verlassen, allein, ohne Familie, rang mit mir selbst und klagte mich an. Europa und die Welt hatten vor dem grausamen Schicksal meines Volkes Augen und Ohren verschlossen. In langen schlaflosen Nächten machte ich mir Selbstvorwürfe, dass ich nicht energisch genug gewesen sei, um meine Eltern und meine Schwester zu retten, dass ich noch mehr Hebel hätte in Bewegung setzen müssen." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 99


Thea Levinsohn-Wolf zum Umgang mit anderen Religionen im Jüdischen Krankenhaus Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Thea Levinsohn-Wolf hob die religiöse Aufgeschlossenheit im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria hervor: "Wir hatten einen Hausrabbiner, dessen Hauptaufgabe u.a. darin bestand, neben den sterbenden Patienten zu sein, mit ihnen zu beten, auch bei den Toten bis zu deren Bestattung zu bleiben und die religiösen Waschungen der Verstorbenen zu begleiten. Selbstverständlich konnte jeder Kranke einen Priester seiner Religion zu sich bitten. So lernten wir Priester sämtlicher Religionen kennen. Sie alle wurden von uns immer mit der ihnen gebührenden Ehrerbietung empfangen." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 40


Thea Levinsohn-Wolf zur interkulturellen Pflege im Jüdischen Krankenhaus Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
Thea Levinsohn-Wolf zeigte den interkulturellen Pflegealltag im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria auf: "Wir waren eine gute Mischung aus Menschen guten Willens aus vielerlei Nationen und Religionen und taten allen Kranken gegenüber unsere Pflicht. Auch die Patienten bildeten ein buntes Gemisch. Sie kamen aus allen Schichten der ägyptischen Bevölkerung, aber auch aus den umliegenden Ländern - Syrien, Libanon, Jordanien, dem damaligen Aden [d.i. Jemen, d.V.], Äthiopien, Irak, Persien, Griechenland, Zypern und Libyen; und natürlich kamen auch Engländer, Franzosen, Tschechoslowaken, Armenier, Weißrussen, die nach der russischen Revolution nach Ägypten geflohen waren, Schweizer, Sudanesen, Italiener und Deutsche." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 38f.


Thea Levinsohn-Wolf zur Pflegeethik im Jüdischen Krankenhaus Alexandria

Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria
An der im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Alexandria praktizierten Pflegeethik hatte die Oberschwester Thea Levinsohn-Wolf großen Anteil: "... wir nahmen uns vor, das Krankenhaus so zu führen, wie wir es vom Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main her gewohnt waren: hohes medizinisches Niveau, gute Pflege, menschliche Wärme und Verständnis den Patienten gegenüber, gegenseitige Hilfsbereitschaft und enge Zusammenarbeit des gesamten Personals zum Wohle der Kranken, Behandlung jedes Pflegebedürftigen, der an unsere Pforte klopfte, egal welcher Hautfarbe und Nationalität, sei er arm oder reich, Jude, Christ oder Araber." Stationen einer jüdischen Krankenschwester, S. 38


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