Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Elisabeth Neumann

Geboren am 29.04.1900 in Frankfurt am Main

Gestorben am 31.08.1988 in Frankfurt am Main

Begräbnisstätte Hauptfriedhof Frankfurt am Main

Nationalität deutsch

Religion evangelisch

Familiengeschichte / Lebensdaten des Vaters

Elisabeth Neumann war eine evangelische Kranken- und Gemeindeschwester jüdischer Herkunft in Frankfurt am Main. In der NS-Zeit wurde sie als "Nichtarierin" verfolgt. Ihr Vater, Justizrat Dr. jur. Paul Neumann, wurde am 19. Mai 1858 (in Frankfurt?) geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie. Ende 1939 starb er in Frankfurt am Main. Weitere biographische Daten sind noch zu recherchieren.


Familiengeschichte / Geburtsdatum der Mutter

Elisabeth Neumanns Mutter Helene Neumann, geb. Dondorf, wurde am 3. Juli 1876 in Frankfurt am Main geboren. Sie war mit der alteingesessenen Frankfurter jüdischen Familie Hirschhorn verwandt.


Haus der Familie Neumann

Grüneburgweg 103 Frankfurt am Main
Helene und Paul Neumann wohnten im eigenen Haus Grüneburgweg 103 im Frankfurter Westend. Dort wuchs Elisabeth Neumann zusammen mit ihren drei jüngeren Geschwistern in gutsituierten Verhältnissen auf. In der NS-Zeit verkauften ihre Eltern das Haus und zogen in das Alten- und Pflegeheim der Diakonissenanstalt Bethesda, Körnerwiese 6.


Elisabeth Neumann wird in Frankfurt am Main geboren

Elisabeth Neumann: In Schwesterntracht in die Schweiz geflohen, S. 85


Evangelische Taufe

Elisabeth Neumann war jüdisch geboren, doch ließen sie ihre Eltern am 6. September 1900 in der Frankfurter deutsch-reformierten Kirche taufen. Wie ihre drei jüngeren Geschwister wurde sie "'liegend'" getauft, eine Redewendung, die den Übertritt vom jüdischen zum christlichen Glauben aus Überzeugung hervorheben soll." Mit falschem Pass und Zyankali, S. 60 (Zitat) Elisabeth Neumann: In Schwesterntracht in die Schweiz geflohen, S. 85


Familiengeschichte / Geburtsdatum des Bruders Richard

Elisabeth Neumanns Bruder Richard Neumann wurde am 28. Juni 1901 in Frankfurt am Main geboren.


Familiengeschichte / Geburtsdatum der Schwester Annemarie

Elisabeth Neumanns Schwester Annemarie ("Annemie") Neumann wurde am 6. August 1902 in Frankfurt am Main geboren.


Familiengeschichte / Geburtsdatum der Schwester Gertrud

Elisabeth Neumanns Schwester Gertrud ("Gega") Neumann wurde am 2. März 1905 in Frankfurt am Main geboren.


Elisabeth Neumanns Eltern lassen sich evangelisch taufen

Erst nachdem ihre vier Kinder getauft waren, konvertierten 1907 auch Elisabeth Neumanns Eltern in der Frankfurter deutsch-reformierten Kirche zum Protestantismus. Elisabeth Neumann: In Schwesterntracht in die Schweiz geflohen, S. 85


Elisabeth Neumann wird konfirmiert



Evangelische Gemeindeschwester in Frankfurt am Main

Elisabeth Neumann ließ sich am Städtischen Krankenhaus Offenbach am Main zur Krankenschwester ausbilden. Von 1925 bis 1939 war sie Gemeindeschwester der Frankfurter evangelisch-reformierten Gemeinde.


Emigration von Gertrud Neumann nach Palästina

Wegen der NS-Machtübernahme emigrierte Gertrud Neumann, Elisabeths jüngste Schwester "Gega", 1933 nach Palästina, wo sie zum jüdischen Glauben zurückkehrte.


Emigration von Annemarie Neumann nach Amerika

1936 verließ auch Elisabeths Schwester Annemarie das nationalsozialistische Deutschland und fand Aufnahme in den USA.


Antisemitische Entlassung aus dem Kirchen- und Schwesterndienst

Ungeachtet ihrer Taufe und christlichen Lebensweise wurde Elisabeth Neumann von den Nationalsozialisten als "Rassejüdin" verfolgt. Seit 1938 durfte sie keine nichtjüdischen Kranken mehr betreuen, zum 1. Oktober 1939 verlor sie ihren langjährigen Arbeitsplatz. "Stillschweigend wollte die Oberin darüber hinwegsehen, aber Pfarrer Meyer missbilligte die Missachtung des Gesetzes und sorgte dafür, dass sie nun offiziell entlassen wurde" (Bonavita 2009, 60). Trotzdem blieb Pfarrer Erich Meyer nach 1945 in seinem Amt. Elisabeth Neumann "musste Tracht und Brosche ihrer Schwesternschaft abgeben" (Becht 2013, 85). Mit falschem Pass und Zyankali, S. 60 Elisabeth Neumann: In Schwesterntracht in die Schweiz geflohen, S. 85


Zwangsarbeit

Seit Mai 1941 leistete Elisabeth Neumann Zwangsarbeit in der Buchdruckerei Osterrieth.


Unterkunft ("Ghettohaus") von Elisabeth, Richard und Helene Neumann

Beethovenstraße 21 Frankfurt am Main
Als "nichtarisches" Ehepaar mussten Elisabeth Neumanns Eltern im November 1938 das christliche Altersheim in der Körnerstraße verlassen - die NS-Behörden hatten der Einrichtung offenbar mit dem Entzug des Gemeinnützigkeitsstatus gedroht. Sie kamen in der Pension Hirschfeld unter, wo Ende 1939 Elisabeth Neumanns Vater starb. Nachdem die ebenfalls NS-bedrohte Familie Hirschfeld ihre Pension zugunsten eines Kindergartens der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt aufgab, zog Helene Neumann im September 1941 zusammen mit Sohn Richard und möglicherweise auch mit Elisabeth in ein "Ghettohaus" (NS-Jargon: "Judenhaus", Sammelunterkunft vor der Deportation), Beethovenstraße 21. Dort wohnten auch zwei Cousinen Helene Neumanns, die sich vor der Deportation das Leben nahmen: Ella Ottilie Marckwald, geb. Hirschhorn, und Marie Nanny Hirschhorn. Ferne Nähe, Buch Rückblende, Buch


"Besternt"

Seit September 1941 musste auch Elisabeth Neumann den gelben Stern tragen.


Deportation von Mutter und Bruder nach Polen

Am 19. Oktober 1941 wurden Helene und Richard Neumann als "Rassejuden" von Frankfurt am Main in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz im besetzten Polen) deportiert. Ihre christliche Gemeinde in Frankfurt konnte offenbar nicht helfen.


Todesdatum von Elisabeth Neumanns Bruder

Richard Neumann starb am 14. Januar 1942 vermutlich im Ghetto Litzmannstadt (Lodz/ Polen).


Todesdatum von Elisabeth Neumanns Mutter

Wenige Tage nach ihrem Sohn Richard starb Helene Neumann am 22. Januar 1942 vermutlich im Ghetto Litzmannstadt (Lodz/ Polen).


Flucht in Schwesterntracht

Erst als Elisabeth Neumann klar wurde, dass sie Mutter und Bruder nicht mehr helfen konnte und ihr selbst die Deportation drohte, entschloss sie sich zur Emigration. Im Mai 1942 flüchtete sie - in Schwesterntracht - mit Hilfe christlicher Freundinnen und Freunde in die Schweiz. Das Pfarrersehepaar de Quervain in Laufen nahm sie mit offenen Armen auf.


Wieder Gemeindeschwester in Frankfurt am Main

Nach Kriegsende kehrte Elisabeth Neumann in ihre Geburtsstadt zurück. Von 1946 bis bis zu ihrer Pensionierung 1963 arbeitete sie wieder als Gemeindeschwester der evangelisch-reformierten Gemeinde. Bis 1969 war sie im Regionalkreis Frankfurt am Main Vertrauensschwester. Nachdem die Nationalsozialisten die Familie Neumann auseinandergerissen hatten, blieb Elisabeth Neumann privat allein auf sich gestellt: Mutter und Bruder waren Opfer der Schoah, eine Schwester lebte in den USA, die andere in Israel.


Letzte Wohnadresse von Elisabeth Neumann

Seilerstraße 20 Frankfurt am Main
Bis zu ihrem Tod im Jahre 1988 lebte Elisabeth Neumann im evangelischen Alten- und Pflegeheim in der Seilerstraße 20 (heute: Alten- und Pflegeheim Anlagenring GmbH).


Todestag

Elisabeth Neumann starb am 31. August 1988 in Frankfurt am Main. Soweit bekannt, blieb sie ihrem christlichen Glauben bis zuletzt treu.


Literatur zu Elisabeth Neumann

Braach, Mile: Rückblende


Literatur zu Elisabeth Neumann

Braach, Mile; Forchhammer, Bergit: Ferne Nähe


Literatur zu Elisabeth Neumann

Flesch-Thebesius, Marlies: Verlassen in der eigenen Gemeinde – Schwester Elisabeth Neumann


Informationen zu Elisabeth Neumann und ihrer Familie (Frankfurter Stolpersteine, Dokumentation 2006)

Flesch-Thebesius, Marlies: Stolpersteine in Frankfurt am Main


Stolpersteine für Helene und Richard Neumann

Grüneburgweg 103 Frankfurt am Main
Für die beiden Schoah-Opfer Helene und Richard Neumann, Mutter und Bruder von Elisabeth Neumann, verlegte der Kölner Künstler Günter Demnig 2006 vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Neumann im Grüneburgweg 103 Stolpersteine (vgl. http://www.stolpersteine-frankfurt.de/downloads/Doku2006_1.pdf, Abfrage 03.01.2014).


Literatur zu Elisabeth Neumann

Bonavita, Petra: Mit falschem Pass und Zyankali


Literatur zu Elisabeth Neumann

Becht, Lutz: Elisabeth Neumann: In Schwesterntracht in die Schweiz geflohen


Literatur zu Elisabeth Neumann

Wieden, Susanne Bei der: Schwester Elisabeth Neumann


Grabsteinsetzung auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Auf Initiative des Grabmalpaten Dr.-Ing. Michael Ströder lässt die evangelisch-reformierte Gemeinde Frankfurt am 29. April 2015 auf dem Frankfurter Hauptfriedhof einen Grabstein für Elisabeth Neumann setzen. Anlass ist ihr 115. Geburtstag (Email v. Dr.-Ing. Michael Ströder, 12.04.2015).


Verlegung von 6 "Stolpersteinen" für Elisabeth Neumann und ihre Familie im Grüneburgweg 103

Für diese Information danken wir Herrn Dr.-Ing. Michael Ströder. Initiiert und finanziert wurden die sechs "Stolpersteine" vom Cäcilienchor Frankfurt.


Sig 6383