Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Bertha Pappenheim

Geboren am 27.02.1859 in Wien

Gestorben am 28.05.1936 in Neu-Isenburg

Begräbnisstätte Alter Jüdischer Friedhof Rat-Beil-Straße

Nationalität österreichisch, deutsch

Religion jüdisch

Geburtsdatum

Die Sozialreformerin, Frauenrechtlerin und Autorin Bertha Pappenheim wurde am 27. Februar 1859 in Wien geboren. Zu ihren weiblichen Vorbildern zählte die entfernt verwandte deutsch-jüdische Kauffrau Glückel von Hameln (geb. 1646 als Glikl bas Judah Leib in Hamburg, gest. 1724 in Metz), die als erste Frau Deutschlands eine noch erhaltene Autobiographie verfasste. - Der Name Bertha Pappenheim steht nicht nur für die Professionalisierung der sozialen Arbeit, sondern auch für einen Brückenschlag zwischen den traditionellen Frauenberufen der Sozialarbeiterin und der Krankenschwester.


Krankenpflegekurs

Bereits in der Endphase ihrer psychiatrischen Erkrankung hatte sich Bertha Pappenheim vehement für Arme und Kranke eingesetzt. Während ihrer Karlsruher Genesungszeit nahm sie - gegen den Rat ihres Arztes, aber mit Billigung ihrer Mutter - im Winter 1882 an einem Krankenpflegekurs teil. Den Kurs organisierte die Abteilung für Krankenpflege des Badischen Frauenvereins, wodurch Bertha Pappenheim erstmals mit der (bürgerlichen) Frauenbewegung in Kontakt kam. Durch ihre Abreise aus Karlsruhe nahm sie jedoch nicht mehr an den Abschlussprüfungen teil. Die Beendigung des Krankenpflegekurses hätte ihr eine berufliche Tätigkeit als Anstaltsvorsteherin oder Oberwärterin in einer Pflegeeinrichtung des Frauenvereins ermöglicht. Später wandte sich Bertha Pappenheim bekanntlich der Sozialarbeit zu, blieb aber der Krankenpflege stets verbunden. Bertha Pappenheim (1859-1936), S. 58-60


Ankunft in Frankfurt am Main

Im November 1888 zog Bertha Pappenheim zusammen mit ihrer Mutter Recha - die der angesehenen Frankfurter jüdischen Familie Goldschmidt entstammte - nach Frankfurt am Main. Die Zeit als Psychiatriepatientin "Anna O." ließ sie hinter sich.


Gemeinsamer Kampf für soziale Reformen in Frankfurt am Main

Charles L. (Karl Lazarus) Hallgarten


Mitbegründerin des Sozialvereins "Weibliche Fürsorge"

Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge e.V.
Zu Bertha Pappenheims zahlreichen sozialreformerischen Aktivitäten gehörte die Mitbegründung des Sozialvereins "Weibliche Fürsorge".


Sozialpolitische Mitstreiterin

Henriette Fürth
Die Frankfurter jüdischen Sozialreformerinnen und Frauenrechtlerinnen Henriette Fürth und Bertha Pappenheim gehörten der gleichen Generation an. Zeitweilig kämpften sie gemeinsam für ihre sozialpolitischen Anliegen.


Gründung des Jüdischen Frauenbundes

1904 rief Bertha Pappenheim zusammen mit der Hamburger Sozialpolitikerin Sidonie Werner (1860-1932) den Jüdischen Frauenbund (JFB) ins Leben. Zwei Jahrzehnte lang amtierte sie als erste Vorsitzende des JFB.


Gründerin und erste Leiterin

Heim des Jüdischen Frauenbundes (Neu-Isenburg)
Unter den zahlreichen von Bertha Pappenheim gegründeten und initiierten sozialen Projekten galt das am 25. November 1907 in Neu-Isenburg (bei Frankfurt am Main) eröffnete Heim des Jüdischen Frauenbundes als ihr eigentliches Lebenswerk. In der Einrichtung wurden gefährdete junge Frauen und ihre nichtehelichen Kinder betreut und gefördert.


Mitglied im Verwaltungsausschuss des Frankfurter Verbands für Säuglingsfürsorge

Frankfurter Verband für Säuglingsfürsorge


Zitat zu einem Konflikt im jüdischen Krankenhaus Frankfurt

Hospital der Israelitischen Gemeinde
Ein (zu dieser Zeit nicht zur Veröffentlichung bestimmter) Brief Bertha Pappenheims vom 1. Mai 1912 belegt ihre kämpferische Solidarität mit Frauen im Krankenpflegeberuf. Sie fordert sogar zum Streik auf. In der Korrespondenz thematisiert sie einen Konflikt um 1912 im Frankfurter jüdischen Krankenhaus, der offenbar so hohe Wellen schlug, dass Bertha Pappenheim sogar an ihrem damaligem Aufenthaltsort Breslau davon erfuhr: "Es ist interessant, dass ich hier hörte, der neue Hospitalverwalter für das Frankfurter Krankenhaus sei sehr "schneidig". In gewissem Sinne und zur Abwechslung ist das ja ganz gut. - Aber er soll es auch zur Bedingung gemacht haben, mit keiner Oberin zu arbeiten. Wenn das wahr ist, dann bedeutet das einen bedauerlichen Rückschlag für die jüdische Gemeinde Frankfurts. Die nächste Folge wird ein qualitativer Rückgang des Schwesternmaterials sein. Die besten Schulen für Krankenpflege waren bisher Hamburg und Frankfurt, wo die Ausbildung bisher unter Mitwirkung einer Frau geschah. Wenn die Oberin nur Haushälterin im Schwesternhaus wird, dann muss das Niveau der Schwestern sinken. Wenn die Schwestern gescheit sind, streiken sie. - Ich begreife die Leitung des Frankfurter [Schwestern-]Vereins nicht, der so stolz auf seine qualitativen Unterschiede gegen andere Vereine ist, - nämlich die, in denen Schule und Schwesternhaus-Ausbildung und Leben getrennt sind." Sisyphus: gegen den Mädchenhandel - Galizien, S. 159


Mitinitiatorin der Zentralwohlfahrtsstelle

Gemeinsam mit Sidonie Werner warb Bertha Pappenheim für einen Großverband, der die verschiedenen Institutionen jüdischer Wohlfahrt unter einem Dach vereinigte. Aus dieser Idee entstand am 9. September 1917 die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST). Ihr heutiger Sitz ist in Frankfurt am Main.


Vorstandsmitglied ("Kassiererin" / Schatzmeisterin)

Säuglings-Milchküche (Schwesternhaus)
Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, S. 166


Todestag

Bertha Pappenheim starb am 28. Mai 1936 in Neu-Isenburg. Kurz zuvor hatte sich die 76-Jährige nach einer Denunziation wegen angeblicher NS-feindlicher Äußerungen einem Verhör durch die Gestapo unterziehen müssen.


Literatur von Bertha Pappenheim

Pappenheim, Bertha (Anna O.): Sisyphus: gegen den Mädchenhandel - Galizien
Die Edition bietet eine Auswahl von Aufsätzen, Vorträgen, Briefen und Reiseberichten Bertha Pappenheims. Die Texte dokumentieren vor allem ihr Engagement für zur Prostitution gezwungene jüdische Frauen und Mädchen in Galizien.


Literatur zu Bertha Pappenheim (Krankenpflege)

Kolling, Hubert: Bertha Pappenheim (1859-1936) und ihre Bedeutung für die Krankenpflege
In einem 1999 veröffentlichten Aufsatz dokumentierte der Pflegeforscher Hubert Kolling ein bislang vernachlässigtes Thema der Pappenheim-Forschung: Bertha Pappenheims Verhältnis zur Krankenpflege. Anhand einiger Schriften, Briefe und Vorträge weist der Autor nach, dass Bertha Pappenheim für eine Professionalisierung nicht nur der Sozialarbeit, sondern auch des benachbarten Frauenberufs der Krankenpflegerin eintrat.


Literatur von Bertha Pappenheim

Pappenheim, Bertha (Anna O.): Literarische und publizistische Texte
Die Edition präsentiert eine Auswahl der zahlreichen Schriften und Texte Bertha Pappenheims.


Literatur zu Bertha Pappenheim (biographischer Artikel)

Konz, Britta: "Weh dem, dessen Gewissen schläft!"


Literatur zu Bertha Pappenheim

Maierhof, Gudrun: Die "vielen Leben" der Bertha Pappenheim"


Begräbnisort

Alter Jüdischer Friedhof Rat-Beil-Straße


Informationen zu Bertha Pappenheim (Seminar- und Gedenkstätte)

Seminar- und Gedenkstätte Bertha Pappenheim


Informationen zum Jüdischen Frauenbund in Deutschland

Maierhof, Gudrun: Jüdischer Frauenbund in Deutschland


Informationen zur Zentralwohlfahrtsstelle

Maierhof, Gudrun: Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (Homepage)


Literatur zu Bertha Pappenheim (Biographie)

Konz, Britta: Bertha Pappenheim (1859-1936)


Literatur zu Bertha Pappenheim (Biographie)

Brentzel, Marianne: Sigmund Freuds Anna O.


Literatur zu Bertha Pappenheim (Jüdischer Frauenbund)

Kaplan, Marion A.: Die jüdische Frauenbewegung in Deutschland


Sig 5959