Institution
Flora Geisenheimer-Kann gründete in Oberstedten (heute Stadtteil von Oberusel/Taunus) ein Genesungsheim für bedürftige jüdische Kranke.
Gotische Straße 15 Oberstedten (Oberursel/Taunus)26. September 1906
Die Stifterin
Flora (Florentine) Geisenheimer-KannZu Flora Geisenheimer-Kanns vielfältigem sozialen und kulturellen Engagement gehörte die am 26. September 1906 zum Andenken an ihre Eltern gegründete Eduard und Adelheid Kann-Stiftung. Am 22. Januar 1922 rief sie zur Erinnerung an ihren Bruder die Rudolf Kann-Stiftung für mittellose junge Künstlerinnen und Künstler jüdischen Glaubens ins Leben. Die nach ihr selbst benannte Flora Geisenheimer-Kann-Stiftung errichtete sie am 27. Februar 1922 zur Ausbildung „hilfsbedürftiger israelitischer Mädchen im Lehr- und Erziehungsfach, Post und Telegraphendienst, Bibliothekarin, Ärztin und anderen gehobenen Berufen.“
Jüdische Mäzene und Stifter in Frankfurt am Main, S. 67, S. 68 (Zitat)
seit um 1907
Vorstandsmitglied der Eduard und Adelheid Kann-Stiftung
Theodor (Theophil) JafféIn den ersten Vorstand der Eduard und Adelheid Kann-Stiftung wurde 1907 auch Dr. Theodor Jaffé gewählt.
Chronik der Gemeinde Oberstedten, S. 290
1909
–
1914
Hausschwester des Jüdischen Genesungsheims in Oberstedten
Ida Elise HolzVor ihrem Einsatz in Oberstedten war Ida Holz in der Privatpflege, als Armenpflegerin sowie im Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde Frankfurt tätig.
„… den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre…“, S. 226 (Nr. 24)
15. September 1909
Grundsteinlegung für das jüdische Genesungsheim der Kann-Stiftung
Gotische Straße 15 Oberstedten (Oberursel/Taunus)Flora Geisenheimer-Kanns Stiftung errichtete 1909/10 in Oberstedten – heute Stadtteil von Oberursel am Taunus – in der heutigen Gotischen Straße 15 ein Erholungsheim für bedürftige jüdische Kranke, die sich einen Sanatoriumsaufenthalt nicht leisten konnten. Am 15. September 1909 fand die Grundsteinlegung „in Anwesenheit von Vertretern der Frankfurter Israelitischen Gemeinde und der Familie Kann“ statt. Anwesend war u.a. der zweite Vorsitzende der Stiftung, Dr. Eduard Schnapper, ein Neffe Flora Geisenheimer-Kanns.
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 238
1910
–
1911
Belegung
Das Kurheim versorgte nach der Eröffnung bis Jahresende 1910 14, 1911 bereits 56 Erholungsbedürftige. Die Verweildauer betrug in der Regel 3-4 Wochen.
1910
–
1911
Oberin des Kann'schen Genesungsheims in Oberstedten
Anna EttlingerZwischen 1910 und 1914 leitete Anna Ettlinger im Auftrag des Frankfurter jüdischen Schwesternvereins ein Jahr lang das Jüdische Genesungsheim der Kann-Stiftung.
15. September 1910
Eröffnung des Genesungsheims
Eröffnet wurde das Erholungsheim am 15. September 1910, genau ein Jahr nach der Grundsteinlegung: „Im geräumigen und luftigen Speisesaal des ,israelitischen Rekonvaleszentenheims´ versammelten sich zur Feier die Angehörigen der Stifterin, die politischen Vertreter Homburgs und Oberstedtens sowie Vertreter der jüdischen Gemeinden Homburg und Frankfurt. Die Weiherede hielt der Homburger Rabbiner Dr. Kottek“.
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 239
17. August 1913
Tod von Flora Geisenheimer-Kanns Neffen und Mitstreiter Eduard Schnapper
Flora (Florentine) Geisenheimer-KannDer Jurist und Sozialwissenschaftler Dr. Eduard Schnapper (geb. 1868), Neffe der Stifterin und Enkel von Eduard und Adelheid Kann, kam am 17. August 1913 bei Oberursel durch einen Autounfall ums Leben. U.a. als zweiter Vorsitzender (1911) der Kann-Stiftung hatte er die Gründung und Errichtung des Jüdischen Erholungsheims maßgeblich mitgestaltet: „Seinem Wirken, seinen Verhandlungen mit Behörden und sonstigen in Betracht kommenden Stellen, ist die Fertigstellung des Baues und der Einrichtung in erster Linie zu danken.“ Weitere persönliche Verluste erlitten Flora Geisenheimer-Kann und das Erholungsheim noch im gleichen Jahr (1913) durch den Tod des Bankiers Benny Oppenheimer, Kassierer der Stiftungsverwaltung, und vor allem des Vorsitzenden der Kann-Stiftung, Leopold Hirschler, einem „der markantesten Persönlichkeiten in der jüdischen Wohlfahrtspflege Frankfurts, der Organisator und die Hauptarbeitskraft einer großen Zahl von humanitären Einrichtungen.“
Oberursel / Taunus mit Stadtteilen Bommersheim und Oberstedten (Hochtaunuskreis), Link (Zitat)
Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, S. 142
1. Mai 1916
–
1. Dezember 1918
Lazarett im Ersten Weltkrieg
Von Mai 1916 bis Dezember 1918 stellte die Kann-Stiftung das Genesungsheim „dem Reserve-Lazarett in Homburg v.d.H. zur Verpflegung erholungsbedürftiger Soldaten“ zur Verfügung.
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 239
seit 1919
Oberin des Kann'schen Genesungsheims in Oberstedten
Ida Elise Holzum 1920
–
1921
Krankenschwester in Oberstedten
Rosa (Rosalie) SpieroUm 1920 pflegte Rosa Spiero offenbar im Jüdischen Erholungsheim der Kann-Stiftung in Oberstedten (heute Stadtteil von Oberursel/Taunus).
1924
Wiedereröffnung nach Renovierung
1924 wurde das Genesungsheim nach einer grundlegenden Renovierung wieder eröffnet.
11. Mai 1933
–
14. November 1933
In Oberstedten
Emilie Cäcilie KranzVom Mai bis November 1933 war Emilie Kranz in Oberstedten im Genesungsheim der Kann-Sftiftung gemeldet.
Oberursel: Stadtarchiv, Auskunft durch Andrea Bott (Stadtarchivarin)
1. Juli 1935
–
1938
Angriffe auf das Erholungsheim in der NS-Zeit
Bereits im Juli 1935, mehr als drei Jahre vor dem Novemberpogrom 1938, versammelte sich eine nationalsozialistische Horde vor dem Gebäude und warf Steine in mehrere Fenster. Wenige Tage später wurden auf das Genesungsheim sogar „scharfe Schüsse“ abgefeuert. „Nach mündlicher Überlieferung sollen außerdem am 17.5.1938 weitere tätliche Angriffe stattgefunden haben; die Patienten wurden nachts aufs freie Feld gejagt.“ Ab dem 18. Mai 1938 blieb das Heim geschlossen, für das Geschäftsjahr 1938 wurden deshalb nur 135 Aufnahmen registriert. Vom weiteren Verbleib des Personals und der Kurgäste in der NS-Zeit ist bislang nichts bekannt.
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 239
1. November 1938
Das Ende des jüdischen Erholungsheims
Während des Novemberpogroms 1938 oder schon früher kam es in dem jüdischen Erholungsheim zu weiteren Verwüstungen – gewiss nicht im Sinne der NS-Behörden, die das Vermögen der Kann-Stiftung sichern, sprich: „arisieren“ wollten. In Frankfurt am Main wurde deshalb ein Sonderbeauftragter für die jüdische Wohlfahrtspflege (später: Beauftragter der Geheimen Staatspolizei für die jüdische Wohlfahrtspflege) eingesetzt, der seit November 1938 den Verkauf und die Räumung des bereits stark beschädigten Kurheims in Oberstedten abwickelte.
Oberursel / Taunus mit Stadtteilen Bommersheim und Oberstedten (Hochtaunuskreis), Link
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 240
Der Beauftragte der Geheimen Staatspolizei für die jüdische Wohlfahrtspflege Ernst Holland, Link
1. August 1939
Vollzug der "Arisierung"
Als neuer Eigentümer des Erholungsheims der Kann-Stiftung ins Grundbuch eingetragen wurde das Hospital zum Heiligen Geist in Frankfurt am Main.
1. Februar 1945
–
1954
Bezug des einstigen Genesungsheims der Kann-Stiftung
Clementine KinderhospitalWegen der Luftangriffe auf Frankfurt wurde das (zu dieser Zeit als „Deutsches-Rotes-Kreuz-Kinderkrankenhaus“ benannte) Clementine Kinderhospital 1943 zunächst nach Schmitten (Taunus) ausgelagert. Am 1. Februar 1945 bezog es das inzwischen im Besitz des Frankfurter Hospitals zum Heiligen Geist befindliche Genesungsheim der Kann-Stiftung. „Mit durchschnittlich 60-70 Kindern war das Haus in Oberstedten fortan bis 1954 belegt, und es besaß eine damals sehr wichtige Tuberkulose-Station“.
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 240 (Zitat)
1955
Genesungsheim der Kann-Stiftung (Fotografie)
Vorderansicht im Jahr 1955 (Reformhaus-Fachschule)
Vom Jüdischen Genesungsheim zur „Reformhaus-Fachakademie“, S. 239
seit 1957
Nachfolgende Nutzung des Standorts
Gotische Straße 15 Oberstedten (Oberursel/Taunus)Seit 1957 nutzt die Stiftung Reformhaus-Fachakademie das Grundstück Gotische Straße 15. Das alte Stiftungsgebäude wurde umgebaut. Das Selbstverständnis der Reformhaus-Stiftung scheint gar nicht so weit entfernt von dem Geist des alten jüdischen Genesungsheims: „Die Reformhaus-Fachakademie wurde als Stiftung ins Leben gerufen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Reformhäusern ganzheitliches Ernährungswissen zu vermitteln und Gesundheitsbildung zu fördern. Das stete Wachstum der Akademie erhielt 1992 durch einen Neubau eine neue Form, und die „Akademie Gesundes Leben“ wurde gegründet. Sie findet starken Zuspruch von Menschen, die sich für eine ganzheitliche Lebens- und Sichtweise interessieren. In diesem Sinne verstehen wir auch unsere Wurzeln: Tradition pflegen heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern Glut am Glühen halten. (Jean Jaurès, frz. Politiker)“ (www.akademie-gesundes-leben.de, Abfrage v. 08.01.2010).
1968
Neubeginn der Kann-Stiftung
Paul ArnsbergMit tatkräftiger Unterstützung des Juristen und Historikers Dr. Paul Arnsberg nahm die Eduard und Adelheid Kann-Stiftung 1968 ihre Tätigkeit wieder auf. Den Neubeginn ermöglichte der Verkauf der vom Frankfurter Heilig-Geist-Hospital zurückerstatteten Anlage des einstigen jüdischen Erholungsheims. Paul Arnsberg übernahm den Vorsitz der bis heute bestehenden Kann-Stiftung.
Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution [3], S. 148
Jüdische Mäzene und Stifter in Frankfurt am Main, S. 67
Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, S. 142f.
1978
Vorsitzende der Kann-Stiftung
Rosl (Rosa) ArnsbergNach Paul Arnsbergs Tod am 12. Dezember 1978 übernahm Rosl Arnsberg den Vorsitz der Kann-Stiftung.
Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, S. 143
Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution [3], S. 148
1990
Gedenktafel
Gedenktafel am Genesungsheim der _Kann-Stiftung1990 wurde am früheren jüdischen Erholungsheim eine Gedenktafel angebracht.