Ein Beitrag von Birgit Seemann, Juni 2023
Einführung und Anstoß zur Erinnerungsarbeit
Dieses Gruppenfoto ist das bislang einzige bekannte Bilddokument von dem ersten Vorstand der Frankfurter jüdischen Frauen- und Sozialinitiative Weibliche Fürsorge, 1901 gegründet und 1904 als Verein errichtet. Das Foto zeigt (in alphabetischer Reihenfolge) u.a. Clementine Cramer, Sidonie Dann, Henny Elkan, Cilly Epstein, Henriette Fürth, Bertha Holzmann, Bertha Pappenheim (Toppe 2023) – und bislang ungenannt, stehend die Zweite von links, Schwester Oberin Minna Hirsch in ihrer beruflichen Kleidung.
Die Weibliche Fürsorge zählte zu den wichtigsten Akteuren der Zedaka für Kinder und Säuglinge in Frankfurt am Main; die Übergänge zwischen Krankenpflege und Sozialer Arbeit verliefen hierbei fließend. Zur Koordinierung und Modernisierung ihres breiten Aufgabenfeldes in der Frankfurter jüdischen Wohlfahrtspflege richtete sie eigene Kommissionen wie die Säuglingskommission und die Kostkinder-Kommission ein (Seemann 2021 u. 2023). 1911 eröffnete sie im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen ein eigenes jüdisches Kinderheim (Hauptstandort: Hans-Thoma-Straße, vgl. Mahnkopp 2020; s. auch Schiebler 1994: 163-165). Zuvor beteiligte sich die Weibliche Fürsorge an der Errichtung des 1907 eröffneten Heims des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg (Gedenkbuch JB Neu-Isenburg). Das Heim bot sozial gefährdeten, teils durch Gewalterfahrungen traumatisierten minderjährigen Müttern und ihren nichtehelichen Kindern Zuflucht, Ausbildung und orthodox-jüdische Anleitung (s. auch Nassauer 1927). In der Stadt Frankfurt genoss der Frauen- und Sozialverein über die jüdische Community hinaus hohes Ansehen: So sprach zu dessen 20jährigem Jubiläum, gefeiert mit zahlreichen Gästen im Logenheim und Gesellschaftshaus der Frankfurt-Loge des jüdischen Ordens B’nai B’rith, auch Frankfurts 2. Bürgermeister und Sozialdezernent Eduard Gräf (Weibliche Fürsorge Ffm 1921).
Verbunden ist der Verein Weibliche Fürsorge bislang vor allem mit den Namen der bekannten Sozialreformerinnen, Frauenrechtlerinnen und Autorinnen Bertha Pappenheim (1859-1936) und Henriette Fürth (1861-1938), deren Leben und Wirken inzwischen gut dokumentiert ist (z.B. Brentzel 2004; Konz 2005; Fürth 2010; s. auch Epple 1996 u. Fassmann 1996). 1918 legte Henriette Fürth in ihrem Beitrag Die jüdische Frau in der deutschen Frauenbewegung, abgedruckt in den Neuen Jüdischen Monatsheften, Wert auf die Feststellung, dass die „Gründung des Vereins Weibliche Fürsorge (…) in der Hauptsache“ das Werk Bertha Pappenheims war (Fürth 1918: 495). Sie selbst zog sich nach wenigen Jahren wegen anderweitiger Verpflichtungen zurück, gehörte aber 1932/33 erneut dem Vorstand der Weiblichen Fürsorge an (Schiebler 1994a: 193).
Die Weibliche Fürsorge trugen hauptsächlich Frauen aus der gehobenen Mittelschicht mit Querverbindungen zur jüdischen und Frankfurter Frauenbewegung; als fähige, zumeist ehrenamtlich tätige Sozialmanagerinnen erwarben sie sich einen hervorragenden Ruf. Vorliegender Beitrag soll Anstöße geben, die Biografien von Mitgründerinnen und engagierten Akteurinnen dieses jüdischen Frauenvereins weiter zu erforschen. So leitete etwa das langjährige Vorstandsmitglied Minna Hirsch, Oberin des Königswarter Hospitals (Israelitisches Gemeindehospital bis zur Eröffnung der neuen Klinik 1914 in der Gagernstraße) und der jüdischen Schwesternschaft, eine Vorkämpferin der beruflichen jüdischen Krankenpflege, die Säuglingskommission der Weiblichen Fürsorge.
Eine Schule „jüdisch-sozialen Denkens und Ausübens“: zur Entstehungsgeschichte der Weiblichen Fürsorge
„Die Rechenschaft, die abzulegen ist (…) soll nur als Nachweis [dienen] für die Trag- und Entwicklungskraft der Ideen, die s.[einer] Z.[eit] unter dem Sammelbegriff Weibliche Fürsorge, Frankfurt a.M. eine stille Wirkung auslösten und auch dafür, wie ein Kreis von Frauen der jüdischen Gemeinde Frankfurts (…) in ihren Pflichten, ohne zu erlahmen, standgehalten haben.
(Pappenheim 1920: 1 [Hervorhebung im Original fettgedruckt])
Wenn nach einer künstlerischen Darstellung dieses Gedankens gesucht würde, dann könnte es die einer jüdischen Frau sein, die gestützt auf den Fels der Gebote und der Tradition hinausblickt und hinaushorcht ins Weite, um als mütterliche Hüterin der Lebensschätze der jüdischen Gesamtheit sich in der großen Welt nichts entgehen zu lassen – an Kenntnissen, Erfahrungen und technischem Fachkönnen jeder Art – um sie der jüdischen Eigenart und den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinschaft anpassend, rationelle Bedingungen zu schaffen, die auch im Strom des Alltags den geistigen Inhalt der Gebote zur höchsten Auswirkung gelangen zu lassen, als Mission der Juden zwischen den Völkern.
In diesem Sinn ist die Weibliche Fürsorge zu einer guten Schule jüdisch-sozialen Denkens und Ausübens geworden (…).
1920, nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg mit verheerenden und folgenreichen sozialen und ökonomischen Verwerfungen, resümierte Bertha Pappenheim das reichhaltige Wirken und konsequente Standhalten der Weiblichen Fürsorge. Sie betonte deren sozialethisches Fundament: die Stärkung der von antisemitischen Angriffen bedrohten jüdischen Minderheit und die Erfüllung des göttlichen Auftrags, über die eigene Gemeinschaft hinaus Gesellschaft und Menschheit zu heilen, zu verbessern, wiederherzustellen, zu ,reparieren‘ (Tikkun Olam). Hierin lag für Bertha Pappenheim, Henriette Fürth und ihre Mitstreiterinnen die besondere Kompetenz und Verantwortung der jüdischen Frauen. Die Pflege gefährdeter Kinder und Säuglinge und die Unterstützung auf sich allein gestellter Mütter diente aus dieser Perspektive zugleich der Genesung und Gesunderhaltung des Judentums – zugunsten seines Umfelds, der nichtjüdisch-christlichen Mehrheitsgesellschaft.
Es war das Jahr 1901 (Weibliche Fürsorge Ffm 1921; Schiebler 1994a: 193), als weibliche Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main mit dem anfänglichen Ziel, „der sozialen Not jüdischer Immigrantinnen entgegenzusteuern und sie vor dem Abstieg in die Prostitution zu bewahren“ (Klausmann 1997: 157), mit der Weiblichen Fürsorge ihr eigenes Hilfskomitee gründeten. Den Anstoß gab der Israelitische Hilfsverein, welcher sich bei seiner Sozialen Arbeit für antisemitisch verfolgte Pogromflüchtlinge aus Osteuropa zunehmend mit den erschütternden Auswirkungen von Armutsprostitution konfrontiert sah. Wie die Historikerin Christina Klausmann schreibt, entwickelte sich die Weibliche Fürsorge von einer Unterabteilung des Hilfsvereins „in den kommenden Jahren zur Initiatorin der jüdischen Frauenbewegung“ (Klausmann 1997: 157; s. auch Schröder 2001; Keller i.E.). Hierzu zählte die Mitgründung des 1904 errichteten Dachverbands Jüdischer Frauenbund, dem Bertha Pappenheim zwei Jahrzehnte lang vorstand. Vor Ort, in Frankfurt am Main, engagierte sich die Weibliche Fürsorge für eine moderne und zeitgemäße Armenpflege und trieb zugleich die Reformierung der gesamten Wohlfahrtspflege der Jüdischen Gemeinde voran. Anstelle der Vergabe von Almosen präferierte sie eine an der jeweiligen individuellen Notlage ausgerichtete Hilfe zur Selbsthilfe.
Zur „Förderung der gemeinnützigen Bestrebungen für die Gesamtinteressen der jüdischen Frauenwelt“ (zit. n. Schiebler 1994a: 193) stellte sich die Weibliche Fürsorge bereits 1904 als selbständiger Verein auf; ihre Geschäftsstelle befand sich in der damaligen Lange Straße 30. Der Jurist Gerhard Schiebler hat ihr vielseitiges und herausforderndes Wirkungsfeld in Arno Lustigers Edition Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main zusammengefasst (ebd.):
„1. Arbeitsausschuß in Verbindung mit Frankfurter Unterstützungsvereinen; Familienpflege, Recherchen, Kleider- und Stiefelkontrolle.
(Schiebler 1994a: 193)
2. Kommission für Kinderschutz, Kinderhaus.
3. Kommission für Stellenvermittlung, Arbeitsnachweis, Berufsberatung, Zimmernachweis (Lange Straße 30), gegründet 1906 (…).
4. Wohnräume für im Erwerb stehende Frauen und Mädchen, gegründet 1913 (…).
5. Kommission für Wohnungsfürsorge.
6. Gefängnis- und Krankenhaushilfe.
7. Bekämpfung des Mädchenhandels.“
Nach dem Ersten Weltkrieg stand zudem die Tuberkulosebekämpfung bei Erwachsenen und Kindern im Fokus. 1928 errichtete die Weibliche Fürsorge den Frankfurter Dachverband Jüdische Wohlfahrtspflege e.V. mit, der seine Tätigkeit zum 1. April 1929 aufnahm (Schiebler 1994: 110-111), und war auch im Gründungsvorstand vertreten. Unter der NS-Verfolgung bestand die Weibliche Fürsorge noch bis in die späten 1930er Jahre. Den Vorstand bildeten um 1933 neben den Mitgründerinnen Clementine Cramer, Henriette Fürth, Schwester Oberin Minna Hirsch, Bertha Holzmann und Emma Strauß-Ellinger zudem Tilly Epstein, Therese Freimann, Flora Grünebaum, Lina Kander, Cecile Mayer, Seline Meyer, Paula Nassauer und Bertha Rosenblatt (Schiebler 1994a: 193).
Eine „Persönlichkeit von seltener Größe“: Oberin Minna Hirsch und die (gruppen-)biografische Spurensuche
„Die Säuglingskommission unter dem Vorsitz von Schwester Oberin Minna Hirsch und dem ärztlichen Beirat von Dr. Deutsch arbeitete mit 9 Damen und beaufsichtigte 40 Kinder (darunter 3 uneheliche), die größtenteils aus der Freiherrlich von Rothschild’schen Stiftung mit Milch versorgt wurden. Die regelmäßig im [Israelitischen] Gemeindehospital vorgenommene Wägung der Kinder ergab sehr befriedigende Resultate, und diese Kinderschau bildet zugleich auch einen Antrieb für die Mütter, die Kleinen besserer und sauberer zu halten, als sie es vielleicht sonst getan hätten (…).“
(Weibliche Fürsorge Ffm 1905: 3)
Die Säuglingskommission gehörte zu den ersten Einrichtungen der Weiblichen Fürsorge. Angeschlossen war eine Säuglings-Milchküche, untergebracht im Israelitischen Gemeindehospital (Königswarterstraße) und nach der Eröffnung des Klinikneubaus (Gagernstraße) im angrenzenden neuen Schwesternhaus des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen (Bornheimer Landwehr). Als „sozialfürsorgerische Initiative“ versorgte die Milchküche „vor allem die Säuglinge armer Mütter aller Konfessionen mit gesunder und hygienisch hergestellter Kleinkindnahrung“ (Steppe 1997: 209; s. auch Seemann 2021) – eine notwendige Maßnahme, die viele Kinderleben schützte und rettete. Der obige Bericht für das Jahr 1903/04 in der Allgemeinen Zeitung des Judentums hebt Oberin Minna Hirsch (1860-1938) als die Vorsitzende der Säuglingskommission hervor. Obgleich eine Pionierin der Professionalisierung der jüdischen Krankenpflege zum (Frauen-)Beruf – als „die erste jüdische Krankenschwester in Deutschland“ (Hirsch M. 1931) war sie 1893 Mitinitiatorin des ersten Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen sowie langjährige Oberin des Frankfurter jüdischen Gemeindehospitals und Schwesternhauses – ließ sich zu Minna Hirsch infolge der Zerstörungen der Shoah und des Zweiten Weltkriegs bislang kein geeignetes Bildmaterial auffinden. Trotz des herben Verlustes an Quellen und Dokumenten sind einige biografische Daten bekannt (Steppe 1997; Hirsch M. 2001): So entstammte sie nicht dem Frankfurter jüdischen Bürgertum, sondern wurde 1860 in die bedeutende jüdische Gemeinde von Halberstadt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt) hineingeboren. Sie war die älteste Tochter von Clara geb. Fleischhauer und Fischl (Fischel) Hirsch, einem in der jüdischen Welt hochgeschätzten Verleger, Drucker, Buchhändler und Antiquar von hebräischen Publikationen, Manuskripten und Handschriften (Singer/ Straalen 1906). Nach Jahrzehnten der Pflegearbeit und -leitung trat Oberin Minna Hirsch 1926 in den Ruhestand und wohnte zuletzt im Frankfurter jüdischen Schwesternhaus. Vermutlich war es ihr ehemaliger langjähriger Vorgesetzter und Förderer Sanitätsrat Dr. med. Adolf Deutsch (1868–1942) – praktischer Arzt, Leiter der Poliklinik des jüdischen Krankenhauses Gagernstraße, stellvertretender Vorsitzender des jüdischen Schwesternvereins und im Kriegsjahr 1917 zusammen mit Bertha Pappenheim sowie Max Wertheimer (Lebensdaten unbekannt) Vorstandsmitglied der Säuglings-Milchküche – welcher die 1938 verstorbene Oberin in einem Nachruf als eine „Persönlichkeit von seltener Größe“ würdigte (Hirsch M. 1938); die NS-Novemberpogrome im gleichen Jahr musste sie nicht mehr erleben.
Dr. Deutsch war zugleich Bruder der Hermann Cohen-Loge, einer der drei Frankfurter Logen des bereits eingangs erwähnten jüdischen Ordens B’nai B’rith (Söhne des Bundes [mit Gott]) (Gut 1928; Seidler 2016; Seemann i.E.; Bnai Brith Frankfurt Schönstädt Loge e.V.: https://bnaibrith-ffm.de/de). Mit Projekten der Zedaka, der Vermittlung jüdischer Bildung in Stadt und Land und der Selbstbehauptung gegen Antisemitismus und ,Assimilation‘ führte der Orden verschiedene Richtungen im deutschen Judentum zusammen. Langjähriger und letzter Präsident des Deutschen Distrikts (Unabhängiger Orden Bne Briss) des 1843 von deutsch-jüdischen Einwanderern in New York gegründeten internationalen Ordens war der bekannte Rabbiner Dr. Leo Baeck (1873-1956). Bis zum NS-Verbot 1937 und der Shoah wirkten in vielen deutschen Städten bis zu 103 Logen mit durchschnittlich 15.000 Brüdern. Dazu kam etwa die gleiche Zahl an Logenschwestern, zumeist die Ehepartnerinnen und weitere Angehörige. Sie engagierten sich in den den Einzellogen angeschlossenen, sozial überaus aktiven Frauenvereinigungen. Mit dem Periodikum Die Logenschwester gaben sie seit 1928 ihr eigenes Presseorgan heraus (Orden BB Logenschwester 1928–1936). Auch die Schwesternvereinigungen der drei Frankfurter Logen – außer der Hermann Cohen-Loge die Marcus Horovitz-Loge sowie die bereits 1888 gegründete Frankfurt-Loge, u.a. Mitgründerin und Förderin des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen – wirkten im Jüdischen Frauenbund und bewährten sich darüber hinaus als ein gestaltender Teil der Frankfurter Frauenbewegung. Mit Schwester Oberin Minna Hirsch waren sie ebenso eng verbunden wie mit Henriette Fürth, welche sie wiederholt als Vortragsrednerin in ihr Logenheim und Gesellschaftshaus Eschersheimer Landstraße 27 luden.
Nach dem oben erwähnten Bericht in der Allgemeinen Zeitung des Judentums für 1903/04 bestand der Vorstand der Weiblichen Fürsorge in diesem Zeitraum „aus den Damen: Bertha Pappenheim, I. Vorsitzende, Henriette Fürth, II. Vorsitzende, Cilly Epstein, I. Schriftführerin, Bertha Holzmann, II. Schriftführerin, Sidonie Dann, Schatzmeisterin, Fanny Blau, Clem.[entine] Cramer, Schwester Oberin Minna Hirsch, Elise Hochstädter, Johanna Lenné, Mathilde Pfeiffer, Therese Reiffenberg, Ella Seligmann, Johanna Stern, Emma Strauß-Ellinger“ (Weibliche Fürsorge Ffm 1905: 4). Mit Fanny Blau und Ella Seligmann wirkten bereits in diesem Gremium die beiden Gründungsvorsitzenden der Frauenvereinigung der Frankfurt-Loge des B’nai B’rith: Fanny Blau geb. Hirschler (1870-1936) war verheiratet mit Logenpräsident Justizrat Dr. Julius Blau (1861-1939), von 1903 bis 1939 Vorsitzender des Vorstands der Frankfurter Israelitischen Gemeinde, Ella Seligmann geb. Kauffmann (1867 – 1953 im englischen Exil) mit dem Logenbruder und Frankfurter liberalen Rabbiner Dr. Caesar Seligmann (1860-1950). Stellvertretend für weitere Logenschwestern im Verein Weibliche Fürsorge seien als spätere Vorsitzende (sowie leitende Mitglieder der Frankfurter Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes) zudem die Arztgattin Paula Nassauer geb. Niedermayer (auch: Niedermeyer, 1877 – 1947 im englischen Exil, vgl. Entschädigungsakte HHStAW 518/ 9890) und die Rabbinertochter Ella Werner verw. Baer geb. Plaut (1880-1964) namentlich genannt. Ella Werner verfügte als Laborantin, Sekretärin bei der Frankfurter Israelitischen Gemeinde und später als Sozialarbeiterin im New Yorker Exil über eigene berufliche Erfahrung. Die Nationalsozialisten vertrieben sie zusammen mit ihrem Ehepartner, Gymnasialprofessor Dr. Moritz Werner (1873-1939) – Lehrer am Frankfurter Lessing-Gymnasium, Vorsitzender des Kuratoriums des Frankfurter Jüdischen Waisenhauses, zeitweiliger Präsident der Hermann Cohen-Loge – 1938 nach Amerika. In Ella Werners Nachlass, den sie bei ihrer Flucht retten konnte, sind zu dem von Bertha Pappenheim in Neu-Isenburg errichteten Heim des Jüdischen Frauenbundes Dokumente und Fotografien zu entdecken (CJH/LBI: Werner, Ella; s. auch Werner 1929, 1936, 1960 u. 1964).
Birgit Seemann, Juni 2023
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte und digitalisierte Quellen
CJH/LBI: Center for Jewish History – Leo Baeck Institute
• Photo Weibliche Fürsorge: Outdoor group portrait of the women on the first board of the Weibliche Fuersorge (Care for Women Society) in Frankfurt am Main, 1904, F 3240, Bertha Pappenheim Collection AR 331
• Werner, Ella: Ella Werner Collection AR 3079: https://archives.cjh.org/repositories/5/resources/16758
HHStAW: Hessisches Hauptstaatsarchiv
• Bestand 518 Nr. 9890: Nassauer, Paula geb. Niedermeyer
ISG FFM: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main
• Bestand A.02.01 Nr. R-1566-1: Versorgung der Pfleglinge, Kost- und Ziehkinder; Säuglingsfürsorge (Laufzeit: 1881 – 1910)
• Bestand A.02.01 Nr. S-1984: Verein Weibliche Fürsorge, Israelitischer Frauenverein zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen, in Frankfurt (Laufzeit: 1913 – 1921)
• Bestand S7P Nr. 4113: Foto von Tilly Epstein (1881-1971), ca. 1960 – Zusatzinformation: „Beruf/Funktion: Schwester von Paul Epstein, Dr. phil., Lehrerin am Philantropin, Schriftführerin „Weibliche Fürsorge“, 1941 Emigration
UB JCS Ffm: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt a.M.
• Judaica Ffm: Judaica Frankfurt, Digitale Sammlung: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/judaica/nav/index/all
Literatur und Links (zuletzt abgerufen am 03.06.2023)
Brentzel Marianne 2004: Sigmund Freuds Anna O. Das Leben der Bertha Pappenheim. Leipzig
Epple, Angelika 1996: Henriette Fürth und die Frauenbewegung im deutschen Kaiserreich. Eine Sozialbiographie. Pfaffenweiler
Fassmann, Irmgard Maya 1996: Jüdinnen in der deutschen Frauenbewegung 1865–1919. Hildesheim u.a.
Frankfurt-Loge/ Frauenvereinigung 1909–1915: Jahresbericht der Frauen-Vereinigung der Frankfurt-Loge in Frankfurt a.M., online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, digitalisiert: 5. (1. April 1909/31. März 1911) – 6. (1. April 1911/31. März 1913); 11. (1914/1915 [Neue Zählung]):
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2155293
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/10700779
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/10698622
Fürth, Henriette 1918: Die jüdische Frau in der deutschen Frauenbewegung. In: NJM (1918) 20-22, S. 487-496, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2911121
Fürth, Henriette 2010: Streifzüge durch das Land eines Lebens. Autobiographie einer deutsch-jüdischen Soziologin, Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin (1861-1938). Hg. v. Monika Graulich u.a. Wiesbaden
Gedenkbuch JB Neu-Isenburg: Gedenkbuch für das Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg (1907–1942). Hg.: Stadt Neu-Isenburg. Inhalte: Esther Erfert-Piel, https://gedenkbuch.neu-isenburg.de
Gut, Elias 1928: Geschichte der Frankfurt-Loge 1888–1928. Frankfurt a.M.
Hirsch, Minna 1931: [Würdigung von D.] Schwester Oberin Minna Hirsch. Zum 70. Geburtstag. In: FIG 9 (1931) 5, S. 168, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3094365
Hirsch, Minna 1935: [Würdigung/Notiz zum 75. Geburtstag]. In: FIG 14 (1935) 3, S. 113, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3094429
Hirsch, Minna 1938: [Würdigung/Nachruf von A.D.]. Minna Hirsch gestorben. In: FIG 16 (1938) 8, Mai, S. 17, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3094459
Hirsch, Minna 2001: [Biografischer Eintrag]. In: Wolff, Horst-Peter (Hg.) 2001: Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte / Who was who in nursing history? Band 2. München u.a., S. 100-101
Hopp, Andrea 1997: Jüdisches Bürgertum in Frankfurt am Main im 19. Jahrhundert. Stuttgart
Keller, Marion i.E.: Bertha Pappenheim und ihre „Kitovleute“: Die jüdische Frauenbewegung in Frankfurt am Main und ihre sozialen Einrichtungen in der Zeit von 1900 bis 1938. In: Jahrbuchs des Dubnow-Instituts / Dubnow Institute Yearbook 20 (2021), im Erscheinen
Keller, Marion/ Renner, Elianna/ Voß, Rebekka o.J.: Bertha Pappenheim Map. [Projekt am Seminar für Judaistik, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Leitung: Prof. Dr. Rebekka Voß]. Rundgang 1 – Station 12 – Eschersheimer Landstraße 25-27: Die Frankfurt-Loge und ihre Frauenvereinigung, https://berthapappenheim.com/tours/1/stations/station-12 (siehe auch Gesamtprojekt: https://trackingthetraffic.org)
Klausmann, Christina 1997: Politik und Kultur der Frauenbewegung im Kaiserreich. Das Beispiel Frankfurt am Main. Frankurt a.M., New York
Konz, Britta 2005: Bertha Pappenheim (1859-1936). Ein Leben für jüdische Tradition und weibliche Emanzipation. Frankfurt a.M., New York
Lustiger, Arno (Hg.) 1994: Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main. Hg. im Auftrag der Moses-Jachiel-Kirchheim’schen Stiftung Frankfurt am Main. Sigmaringen
Mahnkopp, Volker 2020: Dokumentation zu vom NS-Staat verfolgten Personen im Frankfurter Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge e. V. Hans-Thoma-Straße 24. Frankfurt a.M. 2011, erweitert 2018. Zur 100. Wiederkehr der Eröffnung am 23. März 2019. Version: 1. September 2020, https://www.platz-der-vergessenen-kinder.de
Nassauer, Paula 1927: Zum 20jährigen Bestehen des Heims des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg. Aus der Chronik des Heimes. [Mit Lebensläufen einiger Bewohnerinnen]. In: BdJFB 3 (1927) 14, S. 1-3, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/8681414
Orden BB Logenschwester 1928–1936: Die Logenschwester. Mitteilungsblatt des Schwesternverbandes der U.O.B.B.Logen: 1. Jahrgang, Nr. 1 (15. April 1928) – 7. Jahrgang Nr. 7 (Juli 1934), UB JCS Ffm: Judaica Frankfurt, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/9582267 – Fortsetzung: Die Zeitschrift des Schwesternverbandes der Bnei Brith/ Bnë Briss, 7. Jahrgang, Nr. 9 (September 1934) – 9. Jahrgang, Nr. 8 (August 1936), UB JCS Ffm: Judaica Frankfurt, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/10026479 [aus der Sammlung des Leo Baeck Institute, digitalisiert in Kooperation mit dem Center for Jewish History, NY, lückenhaft digitalisiert]
Pappenheim, Bertha 1920: Rückblick auf die jüdisch-soziale Frauenarbeit der Vereine „Weibliche Fürsorge“, „Heim des jüdischen Frauenbundes Isenburg“, „Mädchenclub“ und „Ortsgruppe Frankfurt des jüdischen Frauenbundes“. Frankfurt a.M. – Online-Ausgabe 2011: UB JCS Ffm, Judaica Frankfurt, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:30:1-301085
Säuglings-Milchküche 1908: [Zur Frankfurter jüdischen Säuglings-Milchküche, o.Verf.]. In: AZJ 72 (1908) 31, S. 3, Beilage ,Der Gemeindebote‘, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3228830
Schembs, Hans-Otto 1978: Bibliographie zur Geschichte der Frankfurter Juden. 1781–1945. Hg.: Kommission zur Erforschung der Geschichte d. Frankfurter Juden. Mit Verwendung der Vorarbeiten v. Ernst Loewy u. Rosel Andernacht. Frankfurt a.M. (Einträge zur Weiblichen Fürsorge: S. 168)
Schiebler, Gerhard 1994a: Frauen und Mädchen. In: Lustiger 1994: 179-194 (Weibliche Fürsorge: S. 193)
Schiebler, Gerhard 1994b: Kinderpflege. In: Lustiger 1994: 157-166
Schröder, Iris 2001: Grenzgängerinnen: Jüdische Sozialreformerinnen in der Frankfurter Frauenbewegung um 1900. In: Gotzmann, Andreas u.a.(Hg.): Juden, Bürger, Deutsche. Zur Geschichte von Vielfalt und Differenz 1800–1933. Tübingen: 341-368
Seemann, Birgit 2021: „Deine Dir gute Obeli“ – Frankfurter jüdische Krankenschwestern in der Kinder- und Säuglingspflege. Stand: November 2021. JüdPflege: https://www.juedische-pflegegeschichte.de/deine-dir-gute-obeli-frankfurter-juedische-krankenschwestern-in-der-kinder-und-saeuglingspflege
Seemann, Birgit 2023: In „allen Stadien der Schutzbedürftigkeit“: Institutionen der jüdischen Kinder- und Säuglingspflege in Frankfurt am Main – ein historischer Überblick. Stand: April 2023, https://www.juedische-pflegegeschichte.de/in-allen-stadien-der-schutzbeduerftigkeit-institutionender-juedischen-kinder-und-saeuglingspflege-infrankfurt-am-main-ein-historischer-ueberblick
Seemann i.E. [2023]: „(…) ein Segen zu werden für die Menschheit“. Der jüdische Orden B’nai B’rith in Frankfurt am Main und seine Logen (1888–1937), im Erscheinen (Kapitel 5: Frauengeschichte)
Seidler, Guntram 2016: Die Juden in den deutschen Logen. Teil I: Die Juden in den Freimaurerlogen – Teil II: Der Unabhängige Orden B’nai B’rith. Leipzig
Singer, Isidore/ Straalen, S. van o.J. [1906]: Hirschl, Fischl. In: JewishEncyclopedia: https://www.jewishencyclopedia.com/articles/7729-hirsch-fischl
Steppe, Hilde 1997: „… den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre …“. Zur Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Frankfurt a.M.
Toppe, Sabine 2023: Jüdischer Frauenbund. Stand: 06.02.2023. In: Digitales Deutsches Frauenarchiv, https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/juedischer-frauenbund
Weibliche Fürsorge Ffm 1905: [Bericht o.Verf. v. 20.01.1905 über den Jahresbericht des Vereins Weibliche Fürsorge für 1903 u. 1904]. In: AZJ 69 (1905) 5, Beilage ,Der Gemeindebote‘, S. 3-4, online: UB JCS Ffm: Judaica Frankfurt: Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3228642
Weibliche Fürsorge Ffm 1921: Jubiläumsfeier der Weiblichen Fürsorge. [Bericht o.Verf.]. In: NJP/FIF 19 (1921) 39, S. 2, Rubrik ,Frankfurter Berichte‘, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2693266
Werner, Ella 1929: [Bericht aus der Ortsgruppe Frankfurt a.M. des Jüdischen Frauenbundes]. In: BdJFB 5 (1929) 5, S. 10, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/6353676
Werner, Ella 1936: In der Heimkommission. [Erinnerungen an Bertha Pappenheim]. In: BdJFB 12 (1936) 7-8 [Gedenkheft zu Bertha Pappenheims Tod], S. 15, online: UB JCS Ffm: Judaica Ffm, Compact Memory, https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/6359909
Werner, Ella 1960: Ella Werner – 80 Jahre. In: Aufbau, 01.04.1960, S. 15, online: Aufbau: https://archive.org/details/aufbau
Werner Ella 1964: Ella Werner – Nachruf. In: Aufbau, 07.02.1964, S. 8 (vgl. auch Todesanzeige [gest. 31.01.1964]), online: Aufbau: https://archive.org/details/aufbau
Yad Vashem Datenbank: Zentrale Datenbank der Namen der Holoaustopfer der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem, https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Periodika
AZJ: Allgemeine Zeitung des Judentums
BdJFB: Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit und Frauenbewegung. Organ des Jüdischen Frauenbundes von Deutschland
FIG: Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt / Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main / Jüdisches Gemeindeblatt für Frankfurt
It: Der Israelit. Ein Centralorgan für das orthodoxe Judentum
NJM: Neue Jüdische Monatshefte : Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Literatur in Ost und West
NJP/FIF: Neue Jüdische Presse / Frankfurter Israelitisches Familienblatt