Vom Juli 1931 bis zum März 1932 wurde das orthodox-jüdische Hospital der Georgine Sara von Rothschild’schen Stiftung (im Folgenden: Rothschild’sches Hospital) im Röderbergweg 97 (heute Waldschmidtstraße 129-131) grundlegend umgebaut und modernisiert. Die Finanzierung sicherte mit einer Großspende von Paris aus Adelheid de Rothschild. Sie war die letzte noch lebende Tochter des Stifterpaares Wilhelm von Rothschild und Mathilde von Rothschild und mit dem Philanthrop und Mäzen Edmond James de Rothschild verheiratet.
Den Umbau des Rothschild’schen Hospitals leitete Regierungsbaurat Dipl.-Ing. Fritz Nathan (1891–1960), Architekt im Stadtplanungsprogramm ‚Neues Frankfurt‘ um den Reformer Ernst May. Er entwarf Industriegebäude wie das Frankfurter Teppichhaus Brumlik und die Firma ‚Samt und Seide‘ (später Kaufhaus Vetter), das erste Hochhaus der Stadt Mannheim. Mit Fritz Nathans Namen sind anspruchsvolle jüdische Bauprojekte verbunden: der neuere Frankfurter Jüdischer Friedhof Eckenheimer Landstraße mit seinem eindrucksvollen Hauptportal, der Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee, der Jüdische Friedhof Stuttgart oder der Jüdische Friedhof Friedberg/Hessen (Erweiterung, Trauerhalle). Bevor er mit dem Umbau des Rothschild’schen Hospitals beauftragt wurde, hatte Fritz Nathan bereits Gebäude der Pflege errichtet, so das Altersheim für jüdische Lehrer und Kantoren in Bad Ems und das Israelitische Altersheim in Mannheim (zuletzt Pauline-Maier-Haus, 2009 abgerissen, vgl. Hartwich 2009).
1940 rettete Fritz Nathan auf der Flucht vor den Nationalsozialisten Bauskizzen und Fotos des Rothschild’schen Hospitals in das US-amerikanische Exil und sorgte damit für ihre Erhaltung. Die seltenen Zeugnisse eines in der NS-Zeit vernichteten deutsch-jüdischen Krankenhauses werden im Leo Baeck Institute New York aufbewahrt und sind auch online zugänglich (Fritz Nathan Collection, http://www.lbi.org, Aufruf am 17.11.2014).
Detaillierte Informationen zu Umbau und Innenausstattung veröffentlichte 1932 Karl Hofacker (Oberverwaltungsdirektor des Hospitals zum Heiligen Geist) in seinem Bericht Die Anstalten des Verbandes Frankfurter Krankenanstalten, dem auch das Rothschild’sche Hospital angehörte: „Der gesamte Umbau wurde in etwa 150 Arbeitstagen durchgeführt. Nunmehr können 29 Krankenbetten 3. Klasse, 12 Krankenbetten 2. Klasse und 3 Krankenbetten 1. Klasse untergebracht werden, abgesehen von der durch den Umbau unverändert gebliebenen Isolier-Station mit 6 Betten, zusammen 50 Betten“ (Hofacker 1932: 34).
Als „besonders bemerkenswert“ hob der Verfasser hervor, „daß für alle Klassen des Krankenhauses freie Arztwahl besteht“ (ebd.: 34). Im ehemaligen Tages- und Betraum des Erdgeschosses war eine moderne Röntgenabteilung „für diagnostische und therapeutische Zwecke“ entstanden. Die gesamte Chirurgie wurde „in ein neu aufgestocktes, 2. Obergeschoß verlegt, das in mustergültig neuzeitlicher Weise die Operationsabteilung in zwei räumlich vollkommen getrennte Einrichtungen für septische und antiseptische Fälle gliedert“ (ebd.: 34).
„In naher Verbindung mit der chirurgischen Abteilung wurde […] ein Entbindungszimmer ausgebaut […]. Sämtliche Krankenzimmer erhielten Wascheinrichtungen mit kaltem und warmem Wasser, in jedem Geschoß stehen zwei Badeeinrichtungen, 2 Toiletten für die Patienten und 1 Toilette für Personal zur Verfügung. […] An jedem Bett ist ein Radiostecker und […] aus rituellen Gründen eine Signaleinrichtung für Samstag und Feiertage, ohne Benutzung des elektrischen Stroms, angebracht“ (ebd.: 35).
Mit diesem letzten Foto endet die kleine Bilderreise durch das Rothschild’sche Hospital. Über den fast vergessenen NS-Vertriebenen Fritz Nathan liegt erfreulicherweise eine Biographie (vgl. Schenk 2015) mit neuen Erkenntnissen über sein Leben und seine Werke vor.
Die Autorin ist den Nachkommen von Fritz Nathan sowie Herrn Michael Simonson (Archivar) und dem Leo Baeck Institute New York für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung der seltenen Abbildungen auf www.juedische-pflegegeschichte.de zu großem Dank verpflichtet.
Birgit Seemann, 2014, aktualisiert 2018