Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Ein Beitrag aus Krankenpflege
Verweise hervorheben

Das Hospital der Georgine Sara von Rothschild’schen Stiftung (1870 – 1941) Teil 3: der Umbau 1931/32 und sein Architekt Fritz Nathan

Vom Juli 1931 bis zum März 1932 wurde das orthodox-jüdische Hospital der Georgine Sara von Rothschild’schen Stiftung (im Folgenden: Rothschild’sches Hospital) im Röderbergweg 97 (heute Waldschmidtstraße 129-131) grundlegend umgebaut und modernisiert. Die Finanzierung sicherte mit einer Großspende von Paris aus Adelheid de Rothschild. Sie war die letzte noch lebende Tochter des Stifterpaares Wilhelm von Rothschild und Mathilde von Rothschild und mit dem Philanthrop und Mäzen Edmond James de Rothschild verheiratet.

Gemälde: Rothschild'sches Hospital, Röderbergweg 97, Eingangsbereich.
Der Frankfurter jüdische Architekt Fritz Nathan (undatiert, um 1950, Künstler unbekannt)
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

Den Umbau des Rothschild’schen Hospitals leitete Regierungsbaurat Dipl.-Ing. Fritz Nathan (1891–1960), Architekt im Stadtplanungsprogramm ‚Neues Frankfurt‘ um den Reformer Ernst May. Er entwarf Industriegebäude wie das Frankfurter Teppichhaus Brumlik und die Firma ‚Samt und Seide‘ (später Kaufhaus Vetter), das erste Hochhaus der Stadt Mannheim. Mit Fritz Nathans Namen sind anspruchsvolle jüdische Bauprojekte verbunden: der neuere Frankfurter Jüdischer Friedhof Eckenheimer Landstraße mit seinem eindrucksvollen Hauptportal, der Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee, der Jüdische Friedhof Stuttgart oder der Jüdische Friedhof Friedberg/Hessen (Erweiterung, Trauerhalle). Bevor er mit dem Umbau des Rothschild’schen Hospitals beauftragt wurde, hatte Fritz Nathan bereits Gebäude der Pflege errichtet, so das Altersheim für jüdische Lehrer und Kantoren in Bad Ems und das Israelitische Altersheim in Mannheim (zuletzt Pauline-Maier-Haus, 2009 abgerissen, vgl. Hartwich 2009).

Fotografie: Rothschild'sches Hospital, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533
Fotografie: Rothschild'sches Hospital, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533
Fotografie: Rothschild'sches Hospital, Innenansicht, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, Innenansicht, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

1940 rettete Fritz Nathan auf der Flucht vor den Nationalsozialisten Bauskizzen und Fotos des Rothschild’schen Hospitals in das US-amerikanische Exil und sorgte damit für ihre Erhaltung. Die seltenen Zeugnisse eines in der NS-Zeit vernichteten deutsch-jüdischen Krankenhauses werden im Leo Baeck Institute New York aufbewahrt und sind auch online zugänglich (Fritz Nathan Collection, http://www.lbi.org, Aufruf am 17.11.2014).

Detaillierte Informationen zu Umbau und Innenausstattung veröffentlichte 1932 Karl Hofacker (Oberverwaltungsdirektor des Hospitals zum Heiligen Geist) in seinem Bericht Die Anstalten des Verbandes Frankfurter Krankenanstalten, dem auch das Rothschild’sche Hospital angehörte: „Der gesamte Umbau wurde in etwa 150 Arbeitstagen durchgeführt. Nunmehr können 29 Krankenbetten 3. Klasse, 12 Krankenbetten 2. Klasse und 3 Krankenbetten 1. Klasse untergebracht werden, abgesehen von der durch den Umbau unverändert gebliebenen Isolier-Station mit 6 Betten, zusammen 50 Betten“ (Hofacker 1932: 34).

Fotografie: Rothschild'sches Hospital, Krankenzimmer, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, Krankenzimmer, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

 

Fotografie: Rothschild'sches Hospital, aseptischer Operationssaal, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, aseptischer Operationssaal, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

 Als „besonders bemerkenswert“ hob der Verfasser hervor, „daß für alle Klassen des Krankenhauses freie Arztwahl besteht“ (ebd.: 34). Im ehemaligen Tages- und Betraum des Erdgeschosses war eine moderne Röntgenabteilung „für diagnostische und therapeutische Zwecke“ entstanden. Die gesamte Chirurgie wurde „in ein neu aufgestocktes, 2. Obergeschoß verlegt, das in mustergültig neuzeitlicher Weise die Operationsabteilung in zwei räumlich vollkommen getrennte Einrichtungen für septische und antiseptische Fälle gliedert“ (ebd.: 34).

Fotografie: Rothschild'sches Hospital, Entbindungszimmer, um 1932.
Rothschild’sches Hospital, Entbindungszimmer, um 1932
© Courtesy of the Leo Baeck Institute: Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

„In naher Verbindung mit der chirurgischen Abteilung wurde […] ein Entbindungszimmer ausgebaut […]. Sämtliche Krankenzimmer erhielten Wascheinrichtungen mit kaltem und warmem Wasser, in jedem Geschoß stehen zwei Badeeinrichtungen, 2 Toiletten für die Patienten und 1 Toilette für Personal zur Verfügung. […] An jedem Bett ist ein Radiostecker und […] aus rituellen Gründen eine Signaleinrichtung für Samstag und Feiertage, ohne Benutzung des elektrischen Stroms, angebracht“ (ebd.: 35).

Mit diesem letzten Foto endet die kleine Bilderreise durch das Rothschild’sche Hospital. Über den fast vergessenen NS-Vertriebenen Fritz Nathan liegt erfreulicherweise eine Biographie (vgl. Schenk 2015) mit neuen Erkenntnissen über sein Leben und seine Werke vor.

Die Autorin ist den Nachkommen von Fritz Nathan sowie Herrn Michael Simonson (Archivar) und dem Leo Baeck Institute New York für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung der seltenen Abbildungen auf www.juedische-pflegegeschichte.de zu großem Dank verpflichtet.

Birgit Seemann, 2014, aktualisiert 2018

Primärquellen


ISG Ffm: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main
Sammlung Personengeschichte S 2, Sig. 6.829: Nathan, Fritz

LBI NY: Leo Baeck Institute, New York/Berlin
Fritz Nathan Collection, AR 1443 / MF 533

Literatur und Links


Arnsberg, Paul 1983: Nathan, Fritz. Dipl.-Ing., Architekt. [Nach brieflichen Informationen seiner Tochter Doris Nathan]. In: ders.: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, Band 3. Darmstadt: 314 [mit Abb.]

Hartwich, Inna 2009: Dokument jüdischer Geschichte. Abriss des Pauline-Maier-Hauses des Architekten Fritz Nathan in der Oststadt. In: Mannheimer Morgen, 19.08.2009

Hofacker, Karl 1932: Das Rothschild’sche Krankenhaus. In: Die Anstalten des Verbandes Frankfurter Krankenanstalten. Düsseldorf: 33-35

Hofmann, Willy 1932: Die Stellung der jüdischen Weltanschauung zu Krankheit, Arzt und Medizin. Rede zur Einweihungsfeier des Hospital-Umbaus der Georgine Sara von Rothschildschen Stiftung zu Frankfurt a.M. am 17. Elul 5692, 18. Sept. 1932. Frankfurt a.M.: Hermon-Druck

Leo Baeck Institute New York / Berlin: http://www.lbi.org

Schenk, Andreas 2015: Fritz Nathan – Architekt. Sein Leben und Werk in Deutschland und im amerikanischen Exil. In Zusammenarbeit mit Roland Behrmann. Basel

Schenk, Andreas 2016: Nathan, Fritz. In: Brockhoff, Evelyn (Hg) 2016: Akteure des Neuen Frankfurt. Biografien aus Architektur, Politik, Kultur. Frankfurt a.M., S. 158

Völckers, Otto 1930: Völckers: Geschäftshausbauten von Reg.-Baum. Fritz Nathan, BDA, Frankfurt a.M. (Verlag Stein Holz Eisen)