Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Ein Beitrag aus Pflegegeschichte und Pflegewissenschaft
Verweise hervorheben

Die Ausbildung von Krankenpflegerinnen durch die Logenvereinigung Unabhängiger Orden Bnei Briss (UOBB)

Die Pflegewissenschaftlerin Hilde Steppe unterscheidet drei Wege, die zur professionellen jüdischen Ausbildung als Krankenpflegerin führten:

  • die Aktivitäten des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes (DIGB)
  • die Tätigkeiten der eigenständigen jüdischen Krankenpflegerinnenvereine
  • die Aktivitäten der Logenvereinigungen Unabhängiger Orden Bne Briss (UOBB) (vgl. Steppe 1997: 90)

Der DIGB sorgte mit seinen Aktivitäten dafür, dass eine Institutionalisierung der Ausbildung zur jüdischen Krankenpflegerin überhaupt möglich wurde. Mehr oder weniger parallel zum darauf folgenden Entstehen der eigenständigen Krankenpflegerinnenvereine gab es auch Ausbildungsmöglichkeiten durch die Initiativen der Logenvereinigungen Unabhängiger Orden Bne Briss (UOBB).
Während die Tätigkeiten der Krankenpflegerinnenvereine in jeweils eigenen Artikeln beschrieben werden, besonders die des Frankfurter Vereins, möchte ich in diesem kurzen Beitrag auf die Ausbildung der Logenvereinigung eingehen. Durch diese parallel verlaufenden Ausbildungsmöglichkeiten kam es zu der Situation, dass Vereine wie der Heidelberger Verein oder die Mannheimer Krankenunterstützungsvereine ihr Personal in Berlin ausbilden ließen und nicht z. B. im viel näher gelegenen Frankfurt am Main.
Wohl auf Anregung seines Mitglieds Paul Jolowicz aus Posen initiierte der Deutsch-Israelitische Gemeindebund (DIGB) seit 1882 eine professionelle Krankenpflegerinnenausbildung durch die jüdischen Gemeinden (vgl. Steppe 1997: 91). Der DIGB finanzierte diese Ausbildung, im Gegenzug verpflichteten sich die Ausgebildeten für eine gewisse Zeit für den DIGB tätig zu sein und dazu, dass sie „nur nach dem Ort hingehen, diejenige Wohnung beziehen und diejenige Pflege übernehmen darf, die ihr durch Befehl oder Erlaubnis zugwiesen werde“ (DIGB 1883, zitiert nach Steppe 1997: 93). Der DIGB wehrte sich zunächst noch, die entstehenden selbstständigen Vereine der Krankenpflegerinnenausbildung zu unterstützen, um nicht den eigenen Ausbildungsbestrebungen entgegenzuwirken. Doch schlief diese eigene Ausbildung des DIGB zu Gunsten der Vereine ein, die er daraufhin ab 1893 (Frankfurt am Main, Berlin u.a.) finanziell förderte.


Im Jahr 1900 war es die Heidelberger Friedrich Loge, die sich an die Großloge in Berlin wandte, worauf diese sich wieder mit der planvollen Entwicklung des Ausbildungswesens in der jüdischen Krankenpflege befasste. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Frankfurter und Berliner Vereine ihre Tätigkeit bereits einige Jahre aufgenommen, ihre Schwestern arbeiteten schon in verschiedenen Orten und weitere Vereinsgründungen (z. B. Breslau und Köln) erfolgten oder waren geplant. Die Bestrebung der Großloge war nun, der dezentralen Entwicklung entgegenzuwirken, denn: „Wenn der gute Ruf, den sich unsere Schwestern erworben haben, nicht geschädigt werden soll, ist es erforderlich, dass dieselben eine sorgfältige, fach- und sachgemässe strenge Ausbildung erhalten, welche nur durch Anschluss an ein grosses und tüchtig geleitetes jüdisches Krankenhaus zu ermöglichen ist. Die Bildung kleinerer Vereine in allen möglichen Städten wäre ein Unglück, das Material der Schwestern würde dann nicht sorgfältig genug gewählt und geschult, es fehlte die Gelegenheit die Ausbildung gewissenhaft durchzuführen, eine Ausbildung, welche jetzt in Berlin 2 Jahre incl. des Kursus in der Entbindungs-Anstalt der Charité erfordert. In dem erklärlichen Bestreben, von der Thätigkeit Beweise zu erbringen, könnte es leicht kommen, dass scheinbare Erfolge gezüchtet werden, die dann dem ganzen grossen und edlen Werke zu dauerndem Schaden gereichen würden“ (UOBB 1900: 60).


Die zunächst angedachte Möglichkeit, einen deutschlandweiten zentralen Verein für die Ausbildung der Krankenschwestern zu schaffen, ließ man, ob der problematischen Realisierung, schnell wieder fallen. Stattdessen einigte man sich auf einen Organisationsplan, der vorsah, dass fünf Frauen pro Jahr in Berlin, beim Berliner jüdischen Krankenpflegerinnenverein, ausgebildet werden sollten. Die Großloge trug die Hälfte der Ausbildungskosten (500 RM bis maximal 3.000 RM), die andere Hälfte die jeweils entsendende Loge. Abgesehen von den schon bestehenden Ausbildungsplätzen Frankfurt, Berlin, Köln, München und Breslau wurden fünf geographische Kreise gebildet, aus denen Auszubildende entsandt werden konnten. 1901 wurde beschlossen, dass die Großloge die gesamten Kosten von 1.000 Reichsmark übernehmen soll (vgl. UOBB 1900).


Die Frage nach einer zentralen im Gegensatz zu einer dezentralen Ausbildung blieb zwischen der Großloge und den regionalen Logen weiterhin ein Thema. Insbesondere Dr. Feldmann aus Stuttgart argumentierte für eine flexiblere Handhabung der Ausbildung. Schwerpunkte der Diskussion waren die Verfügbarkeit von geeigneten Auszubildenden und die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Ausbildungsorte (vgl. UOBB 1903).
1900 wurden in Nürnberg und auch in München Schwesternvereine gegründet, die sich zunächst als „Filialanstalten“ (Steppe 1997: 107) des Berliner Vereins verstanden.
1903 war es das „Kuratorium für jüdische Krankenpflegerinnen“ in Dortmund, das durch die Märkische Loge gegründet wurde. Deren Ausbildung erfolgte sowohl in Breslau, in Köln und Berlin als auch in Hamburg. Als Schwesternheim diente eine angemietete Etagenwohnung, in der ein Dienstmädchen für die Mahlzeiten sorgte und ansonsten die Krankenschwestern den Haushalt selbst erledigten (vgl. UOBB Dortmund, zitiert nach Steppe 1997: 99). Diesem Beispiel folgten in den nächsten Jahren Worms (1906), Mannheim (1906), Heidelberg (1909), Würzburg (1914), Ratibor (1919) und Hannover (1921).
Letztlich setzte sich der Plan der Großloge, der die zentrale Ausbildung vorsah, durch und führte 1908 zur Krankenschwesternorganisation (KSO). 1913 richtete die KSO ein eigenes Mutterhaus in Berlin ein. Die Schwestern waren nun nicht mehr Mitglied des Berliner Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen, sondern „Schwestern der KSO“ und wurden in der Charité ausgebildet. In der Folgezeit kam es in Deutschland zu etlichen Gründungen von Vereinigungen für die berufliche jüdische Krankenpflege, die durch die jeweiligen örtlichen Logen initiiert wurden und nach den Bestimmungen der KSO arbeiteten.

Edgar Bönisch, 2015

Literatur

Hilde Steppe 1997:
„…den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre…“. Zur Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Frankfurt am Main.

DIGB 1883: Mitteilungen vom Deutsch-Israelitischen Gemeindebund. Entwurf eines Organisationsplans zur Ausbildung jüdischer Krankenpflegerinnen. Oktober 1883, Stiftung Neue Synagoge Berlin-Zentrum Judaicum, Archiv Sign. 1, 75 C Ge 1967.

UOBB 1900: Bericht der Grossloge für Deutschland. U.O.B.B., No. 6 Mai 1900.

UOBB 1903: Bericht der Grossloge für Deutschland. U.O.B.B., No. 7 September 1903.

UOBB Dortmund 1911: Kuratorium für jüdische Krankenpflegerinnen der Märkischen Loge UOBB Dortmund. 7. Jahresbericht