Jüdische Pflege- geschichte

Jewish Nursing History

Biographien und Institutionen in Frankfurt am Main

Ein Beitrag aus Krankenpflege
Verweise hervorheben

Bad Nauheimer jüdische Krankenschwestern

Bad Nauheim übte als Kurort seit ca. 1869, als es den Namenszusatz „Bad“ erhielt, bis zu den 1930er Jahren eine große Anziehungskraft auf ein internationales Kurpublikum aus. Gerne kamen auch jüdische Gäste, da sie durch die vielen jüdischen und nicht-jüdischen hoch angesehenen Ärzte und Spezialisten für Herzleiden sich in guten Händen wussten und in den jüdisch geführten Hotels und Pensionen rituell adäquate Bedingungen vorfanden. In der Gruppe der jüdischen Gäste spielten die Frankfurterinnen und Frankfurter eine besondere Rolle. Zum einen traten sie als Stifterinnen und Stifter auf, wie z. B. Mathilde und Adelheid von Rothschild oder Michael Moses Mainz und die Frankfurt-Loge, die sich insbesondere um das Israelitische Kinderheim und das Israelitische Frauenkurheim verdient machten. Zum anderen kamen auch viele Wochenendgäste aus dem nahegelegenen Frankfurt (vgl. Kolb 1987: 104f.). Bei weitem nicht alle jüdische Bad Nauheimer Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger konnte ich ausfindig machen. Die identifizierten stelle ich in alphabetischer Reihenfolge vor.

Die Krankenschwestern

Ida Aaron wird als Krankenschwester von dem Historiker Stephan Kolb erwähnt (vgl. Kolb 1987: 82). Im Stadtarchiv von Bad Nauheim konnte ihre Anwesenheit in Bad Nauheim nicht verifiziert werden (StABN 09.04.14).

Sara Beit wird als Krankenschwester ebenfalls von dem Historiker Stephan Kolb erwähnt (vgl. Kolb 1987: 82). Ihre Anwesenheit in Bad Nauheim konnte im Stadtarchiv nicht verifiziert werden (StABN 09.04.2014). Vermutlich handelt es sich um die spätere Sara Kallner, verheiratet mit Dr. Adolf Kallner, die zusammen die Villa Aspira, ein streng rituell geführtes Erholungsheim in Bad Soden, führten (Link) und deren Schwester Ida Beith, die Oberin der Bad Sodener Israelitischen Kuranstalt war.

Friedel (Frieda) Fröhlich, geb. Löwenstein, wurde am 6. Oktober 1907 in Fulda geboren. Sie zog am 3. April 1929 von Bad Dürrheim in das Schwesternhaus des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main, dort war sie als Krankenschwester eingetragen, also sehr wahrscheinlich ein Mitglied des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen zu Frankfurt am Main. Am 22. Februar 1933 verzog sie nach Fulda (vgl. ISG 655). Sie heiratete am 14. Mai 1933 den Hilfsarbeiter Julius Fröhlich, und am 25. März 1935 wurde ihr Sohn Walter in Nieder Weisel, das heute zu Butzbach gehört, geboren. In die Hermann-Göring-Straße 103 zog sie am 25. Februar 1936 (vgl. StABN 25.08.2014) und übernahm dort die Leitung der Kinderheilstätte (vgl. Kingreen 1997). Nachdem die Kinderheilstätte im selben Jahr, nach Beendigung der Kursaison, auf grund fehlender finanzieller Mittel, geschlossen werden musste, übernahm Friedel Fröhlich die Oberinnenstelle in der am selben Ort neu gegründeten jüdischen Bezirksschule (Januar 1937). Auf dem Foto (oben) sehen wir Friedel Fröhlich als Oberin der Bezirksschule Bad Nauheim mit dem Lehrerkollegium im Jahr 1938. Im Mai 1939 musste die Schule geschlossen werden.


1940 zog Friedel Fröhlich mehrfach um. Ihre Wohnadressen waren die Hermann-Göring-Straße 65 und 103 (ehemaliges Frauenkurheim) und zusammen mit ihrer Familie die Karlstraße 28 (Villa Flörsheim) und die Hermann-Göring-Straße 58 (ehemaliges Männerkurheim). Ihr Mann konnte am 27. April 1940 ausreisen. Der geborene Butzbacher erreichte am 30. April in Genua das Schiff „S.S. Rex“ und landete am 9. Mai 1940 in New York (vgl. Ancestry). Sie selbst konnte mit ihrem Sohn am 24. Juli 1940 nach Frankfurt a. M. ziehen. Dort war sie unter der Adresse Danziger Platz 15 (Gumpertz‘sches Siechenhaus) gemeldet. Am 3. April 1941 zog in das Krankenhaus in der Gagernstraße 36, von wo sie am 3. Juni 1941 nach Alpena, USA, entkam (vgl. ISG 687).

Fotografie: Das Lehrerkollegium der Bezirksschule Bad Nauheim, mit Schwester Rosi Klibanksi (5.v.l.) und Schwester Oberin Friedel Fröhlich (6.v.l.).
Das Lehrerkollegium der Bezirksschule Bad Nauheim, mit Schwester Rosi Klibanksi (5.v.l.) und Schwester Oberin Friedel Fröhlich (6.v.l.)
© Sammlung Monica Kingreen

Auf dem selben Foto, neben Friedel Fröhlich, ist auch Rosi Klibansky (Klibanski) zu sehen. Sie wurde am 5. Dezember 1902 als Rosi Spier in Schwalbach, Kreis Wiesbaden, geboren. Am 4. September 1928 heiratete sie Joseph Klibansky. Aus der Ehe ging Sohn Wolfgang (geb. 4. Dezember 1934 in Frankfurt a. M.) hervor. Das Paar wurde jedoch am 3. August 1937 in Aschaffenburg geschieden. Am 8. April kam Frau Klibansky nach Bad Nauheim in die Frankfurter Str. 103, das Israelitische Kinderheim, welches zu dieser Zeit schon als jüdische Bezirksschule fungierte. Mutter und Sohn Klibansky konnten am 15. Januar 1939 nach New York entkommen (vgl. StABN 25.8.2014), beide schifften sich auf der „S.S. Hamburg“ am 26. Januar 1939 in Hamburg ein. In Hamburg lebt auch der Bruder von Frau Klibansky, Arthur Spier, den sie bei der Einreise in die USA als Kontaktperson angab. Ziel der Reise ist Rosi Klibanskys Onkel Herman Stern in Valley City, North Dakota. Mit 25 Dollar in der Tasche erreichen die beiden New York (vgl. Ellis Island). Herman Stern war bereits 1903 nach einer Lehre bei einem Kleidungshändler in Mainz ausgewandert. Er konnte bis 1941 ca. 120 Ausreisevisa für Familienmitglieder beschaffen (vgl. Stern).

Eine der Leiterinnen der Kinderheilstätte war Helene Koppel. Geboren wurde sie am 5. Januar 1883 in Altona als Tochter von Samuel Koppel, ihre Mutter war vermutlich eine geborene Leipheimer. Sie zog am 6. April 1921 in die Frankfurter Str. 67 und 1930 weiter in die Frankfurter Straße 103 (Kinderkurheim). Frau Koppel arbeitete in Bad Nauheim immer während der Kursaison (April bis Oktober). In den Jahren 1921 bis 1934 meldete sie sich außerhalb der Saison regelmäßig nach Altona ab (StABN 25.8.2014).

Es gibt einige Informationen über die Krankenschwester Henriette Jockelsohn (Jochilson) in Bad Nauheim, woraus jedoch nicht hervorgeht wo sie gearbeitet hat. Die wurde am 10. Februar 1880 in Mainz geboren und kam am 27. Juni 1922 nach Bad Nauheim, wo sie zuletzt in der Frankfurter Straße 58 (ehemaliges Männerkurheim) wohnte. Sie zog am 22. Juli 1941 als 61jährige nach Sayn bei Koblenz in die Heil- und Pflegeanstalt Bendorf (vgl. StABN 09.04.2014 und Kolb 1987: 82), wobei nicht geklärt ist, ob sie sich dort als Patientin oder als Pflegerin aufhielt. Henriette Jockelsohn war im Zug, der am 15. Juni 1942 über Köln und Düsseldorf in das Vernichtungslager Sobibor fuhr (vgl. Gedenkbuch).

Regina Lehmann wurde am 28. November 1881 in Würzburg geboren und zog am 15. April 1923 nach Bad Nauheim, wo sie in der Frankfurter Straße 63/65, dem Israelitischen Frauenkurheim, wohnte (vgl. StABN 09.04.2014). An anderer Stelle wird Rebekka Lehmann als Leiterin des Israelitischen Frauenheims im Jahr 1925 vermerkt (vgl. Alemannia Judaica). Sie ist vermutlich identisch mit der Oberin des Frauenkurheims Regina Lehmann, die 1930 zum 25-jährigen Bestehen des Heims angeführt wird: „die aufopferungsvolle Oberin, Frl. Regina Lehmann und die ihr zur Hand stehenden Schwestern und Helferinnen“ (vgl. Der Israelit 3. Juli 1930, zitiert nach Alemannia Judaica).
Nach der Schließung des Israelitischen Frauenkurheims 1937, wird als letzte Wohnadresse von Regina Lehmann in Bad Nauheim die Frankfurter Straße 49 genannt, von wo sie seit 21. Juni 1937 als „auf Reisen“ geführt wird (vgl. Kolb 1987: 276). Frau Lehmanns letzter feststellbarer Wohnort war dann in Würzburg, von wo sie am 27. Juli 1939 nach München verzog (vgl. Ancestry). Ihre Spur findet sich im Gedenkbuch des Bundesarchivs, welches das Deportationsziel Izbica, Ghetto, ab Düsseldorf 22. April 1942, angibt, als letzter Wohnort wird dort „München Gladbach“ genannt. Es gibt allerdings auch eine Auskunft, die der Historiker Stephan Kolb vermerkte: Danach hat die Nichte von Frau Lehmann berichtet, dass Regina Lehmann nach Palästina emigrieren konnte und in Israel verstorben sei (vgl. Kolb 1987: 276).

Fotografie: Lina Wagner, geb. Sandenell / Möglicherweise war Frau Wagner Krankenschwester in Bad Nauheim.
Lina Wagner, geb. Sandenell / Möglicherweise war Frau Wagner Krankenschwester in Bad Nauheim.
© Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Lina Wagner, geb. Sandenell (Sandinell) wurde am 9. September 1876 in Großlangheim, Unterfranken, geboren. Sie heiratete am 7. Mai 1924 in Bad Nauheim den Buchdruckereibesitzer Friedrich Wilhelm Wagner, dessen zweite Ehefrau sie war. Sie zählte zu den Überlebenden von Theresienstadt (Sh’arit ha-pl’atah, zit.nach United States Holocaust Memorial Museum). In Bad Nauheim wohnte sie am 26. Juni 1945 in der Stresemannstraße 36 und ab dem 1. Februar 1951 in der Karlstraße 28, der Residenz der Jüdischen Gemeinde im Haus Flörsheim. Lina Wagner starb am 6. Juli 1958 in Gießen. Stephan Kolb erwähnt ihren Beruf als Krankenschwester (vgl. Kolb 1987: 82).
In ihrer Wiedergutmachungsakte erwähnt Lina Wagner niemals ihre Tätigkeit als Krankenschwester. Ein möglicher Hinweis auf diesen Beruf könnte jedoch die Trauzeugenschaft bei Frau Wagners Hochzeit sein, die die Oberin Regine Lehmann übernommen hatte (vgl. HHStA).

Fotografie: Ottilie Winter, o.J. (um 1940)
Ottilie Winter / Ottilie Winter, o.J. (um 1940)
Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem (Gedenkblatt)

Ottilie Winter wurde am 28. Dezember 1886 in Kempen/Rheinland geboren. Die Eltern waren Simon und Helene (Hannah) Winter (Yad Vashem, Gedenkblatt). Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Krankenschwester 1915 im Verein für jüdische Krankenschwestern zu Frankfurt am Main und war anschließend im Krankenhaus in Frankfurt in der Gagernstraße 36 tätig (vgl. Steppe 1997: 231). Mit Unterbrechungen arbeitete sie auch in Kolberg und Sontheim. Das Hausstandsbuch des Schwesternhauses in der Bornheimer Landstraße 85 vermerkt, dass Ottilie Winter am 26. Juni 1924 aus Kolberg kam, dann im Schwesternhaus wohnte und am 29. Oktober 1931 nach Sontheim ging (ISG 655: 30). Zu einem unbekannten Zeitpunkt zog sie in den Röderbergweg 93 (Rothschildsches Krankenhaus) von wo aus sie am 2. Mai 1935 in die Bornheimer Landwehr 85, das Schwesternhaus des jüdischen Krankepflegerinnenvereins zu Frankfurt am Main, umzog. Von dort ging sie am 20. Juni 1935 nach Bad Nauheim (vgl. ISG 655: 45). Hier lebte und arbeitete sie in der Hermann-Göring-Straße 103 als Oberin der Kinderheilstätte, sie war also die Vorgängerin von Frieda Fröhlich. Von Bad Nauheim ging sie am 16. Januar 1936 zurück nach Frankfurt am Main. Hier war sie vom 22. Januar 1936 bis zum 19. November 1940 wieder im Schwesternhaus des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen gemeldet. Dann musste sie wegen der erzwungenen Auflösung des Vereins ins Israelitische Krankenhaus in der Gagernstraße 36 umziehen (vgl. ISG 655: 47). Von dort wurde sie am 15. September 1942 nach Theresienstadt verschleppt (vgl. ISG 687: 397). Am 16. Oktober 1944 kam sie in das Vernichtungslager Auschwitz (vgl. Gedenkbuch).

Für viele Informationen danke ich der Stadtarchivarin von Bad Nauheim, Brigitte Faatz.

Edgar Bönisch, 2015

Unveröffentlicht

HHStA = Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Signatur: Abt. 518 Nr. 44541 ISG = Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main

Hausstandsbuch 655, Bornheimer Landwehr 85

Hausstandsbuch 687, Gagernstraße 36

StABN = Stadtarchiv Bad Nauheim

09.04.2014 Einwohnermeldekartei, Mitteilung der Stadtarchivarin in Bad Nauheim, Frau Brigitte

Faatz
25.08.2014 Einwohnermeldekartei, Mitteilung der Stadtarchivarin in Bad Nauheim, Frau Brigitte Faatz

 
 
Literatur

Kingreen, Monica 1997: Die jüdischen Kurheime in Bad Nauheim. Kinderheilstätte I. In: Frankfurter Rundschau, Lokalrundschau, Ausgabe: Wetteraukreis, 29.10.1997: 2

Kolb, Stephan 1987: Die Geschichte der Bad Nauheimer Juden. Bad Nauheim

Steppe, Hilde 1997: „… den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre…“.
Zur Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Frankfurt am Main

 
Links

Alemannia Judaica [Alemannia Judaica Bad Nauheim/Synagoge]:
Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum: Bad Nauheim (Wetteraukreis) Jüdische Geschichte/Synagoge.
http://www.alemannia-judaica.de/bad_nauheim_synagoge.htm. (29.08.2014)

Ancestry: Eintrag: Julius Fröhlich, http://www.ancestry.de/ (03.09.2014)

Ancestry: Eintrag: Rosi Klibansky/Ellis Island, http://www.ancestry.de/ (03.09.2014)

Ancestry: Eintrag: Regina Lehmann, http://www.ancestry.de/ (29.8.2014)

Ellis Island: http://libertyellisfoundation.org/passenger-details/czoxMzoiOTAxMTk4MjI3MDczMSI7/czo5OiJwYXNzZW5nZXIiOw==#passengerListAnchor (12.03.15)

Gedenkbuch: Das Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945), http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html (29.8.2014)

Sh’arit ha-pl’atah [], zit.nach United States Holocaust Memorial Museum
http://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=3955222 (16.02.2015)

Stern, Hermann http://web.mnstate.edu/shoptaug/HermanStern.htm (03.09.2014)

Yad Vashem: Gedenkblatt Ottilie Winter
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1455018&language=de
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1936553&language=de
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1164975&language=de (29.8.2014)